Bestien
Tor zuhielt.
Erst fünfzig Meter vor dem Zaun erreichte sie wieder die
Zufahrt.
Sie warf einen Blick in den Rückspiegel und sah Martin
Ames, mit wild fuchtelnden Armen bemüht, die Aufmerksamkeit der Wachmänner zu wecken. Aber sie standen alle um
eine nahezu formlose Masse, die abseits am Boden beim Zaun
lag, und als sie aufblickten, hatte Sharon das Tor fast erreicht.
Der Wagen traf das Tor mit einer Geschwindigkeit von
sechzig Stundenkilometern, und erst im letzten Augenblick, als
sie sicher war, daß der Wagen keinen der Pfeiler zu beiden
Seiten treffen würde, zog sie den Kopf ein, um sich vor den
Trümmern der platzenden Windschutzscheibe zu schützen.
Der Wagen prallte auf das Tor, verlor etwas von seiner
Geschwindigkeit, dann gaben die Torflügel nach, und der
Wagen beschleunigte wieder.
Die Windschutzscheibe hatte gehalten, und Sharon blickte
wieder auf. Ihr Fuß trat das Gaspedal noch immer durch, und
die Tachometernadel kletterte jetzt rapide.
Sie bremste vor der Einmündung in die Hauptstraße, dann
bog sie nach rechts, zu den Bergen, und trat das Gaspedal
wieder durch.
Der Wagen raste fort von Silverdale in die Ausläufer der
hohen Felsenberge. Mark lag zusammengekauert auf dem
Rücksitz.
26
DICK KENNALLY STARRTE ZUM PANORAMAFENSTER des Speisesaales im Sportzentrum hinaus zu den Bergen, die sich im
Osten majestätisch aus dem Vorgebirge bewaldeter Höhen
erhoben. Im Raum hinter ihm herrschte Stille, und er fühlte die
Blicke der drei anderen auf sich, die ihn beobachteten und
warteten, daß er etwas sagte.
Sein Blick verließ die Berge und überflog die Rasenflächen
und Spielfelder innerhalb des Zaunes, der den Gesamtkomplex
umgab. Alles sah heiter und friedlich aus, und keine Spur deutete auf das Gemetzel hin, das er bei seiner Ankunft vor zwei
Stunden gesehen hatte. Der Anblick, der ihn hier begrüßt hatte,
war geeignet gewesen, selbst dem abgebrühtesten Polizisten
den Atem zu verschlagen: Blake Tanners Leichnam, noch im
elektrifizierten Zaun hängend, die verbrannten Finger in die
Drähte gekrallt, dunkel versickerndes Blut im Gras unter
seinen Füßen.
Hundert Schritte weiter den Zaun entlang ein weiterer Toter,
am Boden zusammengesunken, von Kugeln durchlöchert.
Ames hatte ihm gesagt, daß die sterblichen Überreste einmal
Randy Stevens gewesen seien, und Kennally, mit Übelkeit
kämpfend, hatte die Erklärung als unmöglich zurückgewiesen.
Was immer diese von Kugeln zerfetzte Kreatur war, sicherlich
war sie niemals ein Mensch gewesen.
Aber dann hatte er Jeff LaConner gesehen, und allmählich
war ihm die volle Wahrheit dessen, was in der Sportmedizinischen Klinik vor sich gegangen war, klargeworden.
Fast eine Stunde lang hatte er seine Gefühle im Zaum
gehalten und sich der technischen Seite der Angelegenheit
angenommen. Aufnahmen waren gemacht worden, die – davon
war er jetzt überzeugt – vernichtet würden, und die Toten
waren in einen Raum im Keller geschafft worden – einem
Keller, von dessen Vorhandensein er bis dahin nichts gewußt
hatte, mit Isolierraum und Käfigen, nackten weißgekachelten
Wänden und Eisenpritschen. Die vier Wachmänner von
Tarrentech hatten die Arbeit getan, denn Kennally war trotz
seines anfänglichen Schocks klug genug gewesen, seine
eigenen Männer nicht herbeizurufen. Zufahrt und Rasenflächen
waren mit Gartenschläuchen abgespritzt worden, sogar der
Zaun hatte eine Wäsche bekommen, so daß keine Spuren des
Geschehens blieben.
Und er zweifelte nicht daran, daß in Ames’ Büro genauso
gründlich vorgegangen wurde. Bis morgen früh würden die
Räume frisch verputzt und gestrichen, Teppich und Tür ersetzt
sein, und Marjorie Jacksons Schreibtisch würde wieder im
Vorzimmer stehen, während Marjorie über die Ungestörtheit
ihres Brotgebers wachen würde, als wäre nichts geschehen.
Auf der Straße, die in die Berge hinaufführte, hatten Sicherheitsbeauftragte von Tarrentech eine Straßensperre errichtet.
Sie war eine Meile entfernt und hinter einer Kurve unsichtbar
für jeden, der aus der Stadt kam, aber es war unwahrscheinlich,
daß jemand heute in diese Richtung fahren würde. Die Straße
führte nur zu einem sieben Meilen entfernten Skigebiet, und da
die Liftanlagen noch nicht in Betrieb waren und ausreichende
Schneefälle bisher ausgeblieben waren, gab es vorläufig keinen
Anlaß, dort hinaufzufahren.
Aber wenn Sharon Tanner wieder herunterkäme, würde die
Straßensperre ihr die Durchfahrt verwehren. Nicht, daß sie
herunterkommen würde
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