BETA (German Edition)
davon noch keine Ahnung, weil du immer hier in diesem Paradies gelebt hast, aber die Welt da draußen ist verdammt hart. Auf der Base ist der Konkurrenzkampf unerbittlich.«
»Ich bin mir sicher, dass unser Ivan da gut mithalten kann«, sagt Mutter.
»Er kommt von Demesne«, sagt Liesel. »Natürlich wird Ivan in seinem Jahrgang der Beste sein. Er hat es schließlich verdient.«
Ihr Bruder muss es sich erst verdienen, aber für diesen feinen Unterschied ist Liesel vielleicht noch zu klein.
»Hast du schon darüber nachgedacht, welche Karriere du nach der Grundausbildung einschlagen willst?«, fragt Mutter.
»Weiß nicht, vielleicht komm ich später hierher zurück«, antwortet Ivan, »und dann baue ich, sagen mir mal, die Militärpolizei auf der Insel auf …«
»Wir brauchen hier keine Polizei«, ruft Mutter entsetzt. »Obwohl, kräftig genug dafür bist du ja. Vielleicht könntest du das aber zu einem … irgendwie freundlicheren Zweck einsetzen. Wie wär’s, wenn du etwas anderes aufbauen würdest? Du könntest Architekt werden, für Kasernen natürlich.«
»Wie wär’s mit Modedesigner für Kampfanzüge?«, erwidert Ivan. »Oder Astrologe für Militäroperationen?«
»Beschäftigt man sich auf der Base auch mit Astrologie?«, frage ich überrascht. Mein Interface spielt mir ein, dass die Rekruten auf der Base ein hartes körperliches Training durchlaufen, sich mit Militärgeschichte beschäftigen und den Umgang mit sämtlichen Waffen erlernen. Von Astrologie ist nicht die Rede.
»Das ist Sarkasmus«, sagt Liesel. »Ivan hat sich das von Astrid abgeguckt.«
Ich checke das Wort in meiner Datenbank.
Sarkasmus: beißender, verletzender Spott, der jemanden lächerlich machen will
Ich springe auf, laufe zu Mutter und schlinge die Arme um sie. »Lass dich von so etwas nicht verletzen, Mutter«, sage ich.
Alle am Tisch biegen sich vor Lachen. Mutter gibt mir ein Küsschen auf die Wange und bedeutet mir dann, dass ich mich wieder hinsetzen soll. Ich bin völlig verwirrt.
»Danke, Elysia, mein Liebling«, sagt sie lächelnd. »So schnell kann man mich nicht verletzen. Aber ich bin dir sehr dankbar. Wenigstens eines meiner Kinder versucht mich zu beschützen, statt sich nur über mich lustig zu machen.« Ihre Laune hat sich gebessert und das ist mein Verdienst. »Lasst uns jetzt endlich diese wunderbare Nachspeise genießen!«, ruft sie. »Fangt schon an!«
»Mmmhm! Lecker lecker lecker!«, sagt Liesel, als sie sich über ihren Teller hermacht.
Ich kann die Schokolade riechen. Der Duft dürfte bei mir überhaupt nichts auslösen, doch ich spüre, wie mein Mund sich mit Speichel füllt und meine Nase etwas wittert, das sehr, sehr verführerisch ist. Mir kommt es so vor, als würde die Schokolade mir etwas zuflüstern. Elysia, Elysia … ich weiß, dass du mich probieren willst. Ich schmecke noch köstlicher, als du es dir ausmalen kannst.
Ich will. Ich muss. Das Schokoladensoufflé duftet so unglaublich köstlich. Ich schlucke den Speichel hinunter, der sich in meinem Mund angesammelt hat, spüre eine unerklärliche, quälende Lust.
»Kann Schokolade zu Ataraxia führen?«, frage ich.
»Schätzchen«, sagt Mutter und legt mir eine Portion Soufflé auf den Teller, »Schokolade ist geradezu der Inbegriff von Ataraxia. Das pure Glück. Probier mal!«
»Reine Verschwendung«, sagt der Governor. »Sie hat doch nichts davon.«
»Was Besseres als Schokolade gibt’s gar nicht«, sagt Liesel.
Ivan schüttelt den Kopf.
»Frauen und Schokolade«, sagt der Governor und trinkt lieber einen Schluck Wein. »Das werde ich nie verstehen.«
»Weil du von Frauen sowieso nichts verstehst«, sagt Mutter.
»Das Gefühl hab ich auch manchmal«, antwortet der Governor.
Während ich dem Gezanke am Tisch zuhöre, frage ich mich, ob die Ataraxia, die wahre menschliche Glückseligkeit, vielleicht nur eine Vorstellung im Kopf der Menschen ist, sodass jeder seine eigenen Enttäuschungen und Niederlagen erlebt und das höchste Ziel gar nicht erreichen kann.
Meine Gabel wandert zu dem Schokoladensoufflé auf meinem Teller, um davon ein kleines Stückchen abzutrennen. Vorsichtig führe ich es zum Mund. Kaum habe ich es mit der Zunge berührt, erfolgt dort eine Geschmacksexplosion von solcher Wucht, dass es mir fast den Atem raubt. Warme, flüssige, klebrige Schokolade, die sich zugleich wie Kuchen anfühlt, breitet sich in meinem Mund aus, ein bittersüßes Wunder. Ich brauche keinen weiteren Beweis mehr dafür, dass ich anders
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