BETA (German Edition)
ausgebrochen.
»Ich komme«, antwortet Xanthe. Sie hebt den Wäschekorb auf und Tawny und sie marschieren im Gleichschritt aus dem Zimmer.
»Ich kann das doch selber für mich zusammenfalten, Xanthe«, rufe ich ihr hinterher. Schließlich hat sie ja so viel zu tun und ich überhaupt nichts.
Tawny und Xanthe drehen sich zu mir um, dabei neigen beide den Kopf genau im gleichen Winkel. Auf ihren Gesichtern ist genau derselbe Ausdruck zu lesen, den ich als Horror identifiziere.
»Das ist nicht deine Aufgabe«, verkünden sie, und dann sind sie verschwunden.
Zwölftes Kapitel
W as für ein Skandal!
Die Damen, die beim Luch zusammensitzen, haben mir von dem unerhörten Ereignis berichtet. Die Kakaobohnen, aus denen Schokolade produziert wird, sind auf dem Mainland nur noch in geringen Mengen vorrätig – in so geringen Mengen, dass Schokolade dort rationiert werden musste. Hier auf Demesne gibt es dieses Problem allerdings nicht, wir haben Schokolade in Hülle und Fülle, weil die Insel ihre eigenen Kakaoplantagen hat. Es ist sogar verboten, die Kakaobohnen zu exportieren. Das Besondere an den Kakaoprodukten der Insel ist, dass sie bereits von der Bohne an kalorienreduziert sind, sodass selbst bei übermäßigem Verzehr kaum eine Gewichtszunahme erfolgt. Die Einwohner von Demesne sollen sich nicht mit einem Schokoriegel pro Woche begnügen müssen, wie es bei den armen Menschen auf dem Mainland der Fall ist.
Ich kann also gar nicht zu viel Schokolade essen.
Wir sitzen hinter dem Hauptgebäude des Heaven Country Club auf der Gartenterrasse mit Blick auf die Nectar Bay. Nach dem Lunch haben Mutter und die anderen Damen eine Partie Mah-Jongg begonnen, und mir fällt die Aufgabe zu, die Punkte zu notieren. Die Society-Ladys der Insel tragen alle leichte Tunika-Kleider mit leuchtenden Blumen- oder Mosaikmustern, dazu hohe Riemchensandalen an ihren perfekt pedikürten Füßen. Sie sind alle schon etwas älter, aber ihre Haut hat durch die sauerstoffangereicherte Luft von Demesne ihren rosigen Schimmer bewahrt, wirkt außerdem straff, was wohl von der ständigen leichten Massage durch die Brise von Ion herrührt. Hinter dem großen Sonnenschirm, der die delikate Haut der Damen vor zu viel direktem Licht schützt, warten diskret die Dienstklone und schenken unauffällig immer wieder nach, sodass es wirkt, als würden die Ladys nur vornehm an ihren Getränken nippen, statt ganze Karaffen zu leeren. Neben ihrem Weinglas hat jede von ihnen als kleinen Snack ein Schälchen mit in Schokolade getauchten tropischen Früchten stehen. Ein Stück vom Tisch entfernt halten sich Masseure, Leibwächter, Kosmetikerinnen und Personal Trainer bereit, um ihnen auf Wunsch sofort zu Diensten zu sein. Doch im Moment sind die Damen mit ihrem Brettspiel beschäftigt.
Mehrere hundert Meter weiter, in einem entfernten Winkel des weitläufigen Areals von Heaven, sind Arbeiter am Werk. Mein Interface zoomt sie heran und spielt mir ein, dass die Bambus-Tätowierungen an ihren Schläfen Stärke und Robustheit symbolisieren sollen. Exemplare dieser niederrangigen Klone, die für körperliche Arbeit auf dem Bau oder in den Kloakenkanälen eingesetzt werden, legen gerade das Fundament für ein weiteres Gebäude in Heaven. Ab und zu weht von ihnen etwas Lärm herüber, als sie mit schwerem Gerät Betonplatten verlegen.
»Was bauen sie da eigentlich?«, frage ich Mutter.
»Ach, immer dieser Lärm«, jammert Mutter. »Wirklich unerträglich. Sie bauen da einen neuen Gästeflügel für Heaven. Immer diese neuen gesetzlichen Regelungen, die sie sich auf dem Mainland einfallen lassen, um uns zu ärgern. Es sollen mehr Besucher auf die Insel kommen dürfen und die müssen ja irgendwo untergebracht werden.« Hinter einer dichten Baumreihe versteckt, jenseits der Baustelle, befinden sich die Baracken für die Dienstklone und Arbeiter – einfache Bambushütten mit Etagenbetten, mehr nicht.
»Ins Haus kommen mir diese Gäste jedenfalls nicht«, sagt die Dame, die Mutter am Tisch gegenübersitzt. Weil ich inzwischen gelernt habe, was Sarkasmus ist, und weiß, dass er keine körperlichen Verletzungen zufügt, habe ich diese Freundin von Mutter ›Mrs Weinrot‹ getauft, weil sie sich nämlich erstens dauernd von dem Château Rothschild nachschenken lässt und zweitens bei fast jedem Gesprächsthema weinerlich wird, weil es immer etwas zu bejammern und zu beklagen gibt.
»Ganz richtig«, sage ich und nicke zustimmend, wie das von mir als guter
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