BETA (German Edition)
Gesellschafterin erwartet wird.
Mutters Freundinnen strahlen. Die Dame links neben Mutter, die ich Mrs Lange-Weile nenne, weil sie bei allem, was sie sagt, die Wörter unglaublich in die Länge zieht und sich sehr stark nach Abwechslung zu sehnen scheint – ihre Blicke schweifen dauernd zu den nackten Oberkörpern der männlichen Badegäste am Strand ab –, sagt daraufhin: »Deine Beeeta ist sooooo viiiiel angeneeeehmer als Aaaastrid! Daaaaauernd diese Reeeeeden über Gleeeeeichheit und Naaaaachhaltigkeit und gerechte Güüüüüterverteilung. Wie laaaaaaaangweilig!«
»Astrids Verachtung für all das Gute und Schöne, was wir hier haben, konnte einem die Laune manchmal schon etwas verderben«, sagt Mutters Freundin zu ihrer Rechten, Mrs Beauty Queen, die mir als Erstes erzählt hat, dass sie immer noch dieselbe Kleidergröße trägt wie zu ihrer Zeit als Miss Teen Mainland – »Nur zehn Jahre her, haha!«
»Und deine Beeeta ist soooo hüüüübsch gekleidet!«
Mutter wollte, dass ich mich für ihre Freundinnen genauso wie sie kleide, deshalb trage ich eine Tunika mit rosa-gelbem Paisleymuster. Weil ich größer als Mutter bin, reicht mir das Minikleid gerade mal bis knapp über den Po. Darunter habe ich einen Bikini von Astrid angezogen. Den einteiligen Badeanzug ihrer Schwiegermutter wollte sie zu dieser Gelegenheit nicht an mir sehen.
»Ja, es ist wirklich eine große Freude mit ihr«, sagt Mutter.
Die anderen nicken. Ich habe keine Ahnung, was an mir eine große Freude sein soll, außer dass ich jeder Äußerung am Tisch zustimme, alle freundlich anlächle und ihnen nicht wie Astrid Reden über Gleichheit, Nachhaltigkeit und gerechte Güterverteilung halte. Scheint so, als hätten alle diese Ladys Kinder, die halb Monster, halb Engel sind – privilegierte Jugendliche, die verhätschelt wurden und mit der Überzeugung aufgewachsen sind, sie hätten ein natürliches Anrecht auf Ataraxia, sodass sie irgendwann außer Rand und Band gerieten, worunter dann als Erste ihre Mütter zu leiden hatten. Aber zum Glück haben diese ja einander und außerdem ihren Château Rothschild, ihre Mah-Jongg-Runden und all ihre Bediensteten, um ihre Pein zu lindern, wenn das allgemeine Streben nach Ataraxia auch einmal Enttäuschungen oder missratene, undankbare Kinder mit sich bringt.
»Zeig ihnen, was du kannst, Elysia«, fordert Mutter mich auf.
»Was denn?«, frage ich. Der Pool mitten in der Bucht ist viel zu weit entfernt, als dass sie einen guten Blick auf meine Kopfsprung- und Schwimmkünste haben könnten.
»Eine gute Wasserspringerin muss auch eine gute Turnerin sein. Führe uns ein paar Bodenübungen vor.«
Ich stehe auf und verbeuge mich höflich. Ich weiß, dass Mutter ihre Freundinnen am Tisch nur ablenken will, damit sie heimlich auf ihre Spielsteine schielen und sich eine Strategie ausdenken kann, wie sie am besten schummelt. Mutter gewinnt einfach so gern. Ich glaub, das ist ihr noch wichtiger als Schokolade.
Als ich meine Flickflacks und Saltos quer über den Rasen und wieder zurück ausführe, höre ich Mrs Weinrot sagen: »Könnt ihr euch vorstellen, dass eine von unseren verwöhnten Töchtern mal so aufs Wort zu unserer Unterhaltung beiträgt?«
Sie nicken alle beifällig und applaudieren, als ich nach einem letzten Salto direkt vor ihnen auf beiden Füßen lande. Sie stoßen mit den Weingläsern an, und Mrs Lange-Weile ruft aus: »Ich will auch so einen Beeeeta!«
»Komm mal her, Schätzchen«, sagt Mrs Beauty Queen zu mir. Sie ist von allen vieren an diesem Nachmittag am heftigsten beschwipst. Ich gehe zu ihr und sie umfasst mich mit ihren Händen. »Oh, diese winzige Taille ist ein Traum. Ihre First hätte bei einem Schönheitswettbewerb eine hervorragende Figur abgegeben. Weißt du auch, wie man dort über den Laufsteg stolziert, Schätzchen?«
Ich checke auf meinem Chip Schönheitswettbewerb , mein Interface spielt mir die Auftritte auf dem Laufsteg ein und ich antworte: »Ja.«
Sie klatscht begeistert in die Hände. »Du bist ein Goldstück! Meine Tochter und ich haben das immer miteinander gespielt, als sie noch klein war, aber sobald sie zwölf wurde – aus und vorbei. Danach war es unmöglich, sie noch dazu zu bringen, ihrer Mommy etwas vorzuführen. Also, dann zeig mir mal, was du kannst!«
Ich setze eine Miene auf, die Selbstbewusstsein ausdrückt, und stolziere am Tisch vorbei, Hüften und Schultern schwingend und mit einem strahlenden Lächeln.
Sie klatschen frenetisch Beifall.
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