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BETA (German Edition)

BETA (German Edition)

Titel: BETA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Cohn
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wenn ich nicht mehr wie gewünscht funktioniere.
    Aber ich habe alle diese Gefühle. Ich bin wie Xanthe, ich bin defekt.
    Kummer: Betrübnis über ein schweres Schicksal, das eigene Leid
    Vergeltung: Rache, Revanche. Mit einem bestimmten, meist feindlichen Verhalten auf etw. reagieren
    Ich widme diese beiden Wörter Xanthe.

Dreiundzwanzigstes Kapitel
    I ch muss ein Spielzeug bleiben, um zu überleben.
    »Die arme liebe Xanthe«, höre ich Mutter dem Aquino erklären, der ihr im Arbeitszimmer des Governor ein paar Fragen stellt. »Sie war nicht schwindelfrei. Ich hab sie immer wieder gebeten, nicht zu nahe an die Felskante zu treten. Wie schade um sie.«
    Wenn ich eines Tages von diesen Leuten ertränkt werde, weil ich defekt bin, wird Mutter dann der Replikanten-Rechte-Kommission erzählen, dass ich eben nie richtig schwimmen gelernt hätte?
    Das Gespräch, das ich belausche, wird von dem Lärm des Rasenmähers vor dem Fenster des Arbeitszimmers übertönt. Ich kann zwar verstehen, was Mutter und der Aquino sagen, aber den Tonfall zu deuten fällt mir schwer.
    »Sind sie sicher, dass es kein Selbstmord war?«, fragt der Aquino. Leider kann ich weder seine Stimme richtig hören noch sein Gesicht sehen, was sehr enttäuschend ist, wo doch Demenzia, Greer und die Damen der Insel alle so von ihm geschwärmt haben. Von meinem Beobachtungsposten im Schrank aus kann ich nur seinen Rücken erkennen. Ich will aber das Gesicht desjenigen sehen, der dafür verantwortlich ist, dass Becky zu Dr. Lusardi in die Krankenstation geschickt wurde. Ich will es mir einprä-gen.
    »Klone begehen keinen Selbstmord, junger Mann«, sagt Mutter. »Sie sind nicht wie wir Menschen. Wissen Sie denn überhaupt nichts über Klone?«
    Was ist besser, frage ich mich – ein Spielzeug für die Menschen zu sein oder selbst über sein Schicksal zu bestimmen, selbst wenn der einzige Weg, das zu tun, darin besteht, Selbstmord zu begehen? Was käme als Botschaft denn bei ihnen an, wenn ich mir das Leben nehmen würde? Wahrscheinlich überhaupt keine. Die Menschen auf Demesne sind an Verfügbarkeit gewöhnt. Ein Klon ist leicht durch einen anderen zu ersetzen. Über Objekte in ihrem Besitz machen sie sich nicht viele Gedanken, außer sie haben einen Wert, der sich in einer größeren Geldsumme beziffern lässt.
    Niemals hätte Xanthe Selbstmord begangen. Sie träumte von Freiheit und Gleichberechtigung. Sie hatte bei mir durchblicken lassen, dass sie an der Revolte beteiligt war. Dass sie an etwas Großem beteiligt war, einer Sache, die ihr Hoffnung gab. Leider hatte ich nicht mehr herausfinden können, worum es dabei konkret ging. Aber das werde ich noch. Ich werde dieses Geheimnis lüften.
    »Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Mrs Bratton«, sagt der Aquino, »es liegen uns jede Menge Daten vor, die belegen, dass Klone keineswegs die empfindungslosen Automaten sind, für die wir sie gerne halten. Tatsächlich zeigen die jüngsten Forschungsergebnisse, dass –«
    »Unsinn«, unterbricht ihn Mutter.
    »Gut, dann noch einmal fürs Protokoll«, meint der Aquino. »Können Sie mir bestätigen, dass die zu Tode gekommene Xanthe das Opfer eines tragischen Unfalls war?«
    »Ja! Das habe ich Ihnen doch schon gesagt! Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe Kopfschmerzen.«
    »Danke, Mrs Bratton. Ich hoffe, es geht Ihnen bald besser.«
    Er steht auf, schüttelt Mutter die Hand und verlässt den Raum. Sein Gesicht kann ich auch jetzt nicht sehen.
    Als Xanthe ins Meer eintauchte, waren ihr Körper und ihr Gesicht wahrscheinlich schon zerschmettert.
    Meine Klonschwester und Freundin wurde kaltblütig ermordet, während ich hilflos daneben stand.
    Der Aquino sollte das unbedingt erfahren.
    Eines Tages werde ich ihm ins Gesicht sehen und es ihm sagen.
    Kurze Zeit darauf ruft Mutter mich zu sich in ihr Schlafzimmer, wo sie sich wegen ihrer Migräne aufs Bett gelegt hat. Sie bittet mich, die bis zur Decke reichenden Fenster zu verdunkeln, und als ich die Seidenrollos herunterziehe, fällt mein Blick auf den Felsvorsprung der Steilküste, von dem Xanthe in die Fluten von Ion hinuntergestoßen wurde.
    Ihre Schreie hallen immer noch in meinem Kopf nach.
    Schreie bedeuten Leiden und Qual .
    So deute ich das jedenfalls.
    Wahrscheinlich gab es noch ein Mädchen, das leiden musste. Was auch immer meiner First zugestoßen ist und dazu geführt hat, dass ich erschaffen wurde – sicherlich hatte sie sehr große Schmerzen. Wurde sie vielleicht auch wie Xanthe

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