BETA (German Edition)

kann es auch gut sein«, redet Mutter weiter, »dass Tahirs Mutter dich lieber selbst ausstaffiert, statt dich anziehen zu lassen, was ich dir mitgegeben habe. Sie geht ja bestimmt bei den besten Designern ein und aus. Aber wie ich Bahiyya kenne, kümmert sie sich nicht groß um die neuesten Modetrends und kleidet sich lieber wie eine Vogelscheuche. Bei Leuten, die in großer Armut aufgewachsen sind, ist das manchmal so. Sie haben einfach kein Gespür für die feinen Unterschiede.«
    »Tahirs Mutter war früher einmal arm?« Prinz Tahir aus der mächtigen Familie Fortesquieu entstammt eigentlich armen Verhältnissen? Mir war bisher nie der Gedanke gekommen, dass die Menschen auf Demesne nicht von jeher zur Oberschicht gehört haben könnten.
    »Ach, das ist eine so tragische und anrührende Geschichte. Seine Eltern – Bahiyya und Tariq – waren früher arm. Kannst du dir das vorstellen, dass solche vornehmen und reichen Leute buchstäblich aus dem Dreck stammen? Sie sind zusammen in den Slums einer der schon lange überfluteten alten Städte aufgewachsen. Wenn ich mich nicht täusche, haben sie beide tunesisch-französische Vorfahren. Bereits als Kinder waren sie unzertrennlich, verloren sich dann aber später als Teenager aus den Augen. Die Kriegswirren haben sie auseinandergerissen.«
    »Wie ging es dann mit ihrer Liebesgeschichte weiter?« LoveStory ist Liesels Lieblingsspiel in der FantaSphere. Ich ahnte bisher nicht, dass es tatsächlich auf Geschichten und Erlebnissen aus der echten Welt basieren könnte.
    »Sie haben sich viele Jahre später in Biome City wiedergefunden. Man erzählt sich, Bahiyya sei dort hingezogen, um ein neues Leben zu beginnen, nachdem sie ihren ersten Ehemann und die gemeinsamen Kinder verloren hatte. Ihre ganze Familie wurde in den Water Wars ausgelöscht. Schrecklich. Aber dieser Verlust führte schließlich dazu, dass sie ihre große Jugendliebe wiederfand, Tariq. Er war inzwischen einer der reichsten Männer der Welt geworden. Glück im Unglück! Tariq Fortesquieu soll ein absoluter Workaholic gewesen sein, bevor er Bahiyya wiedertraf. Mit der Wissenschaft verheiratet. Aber seit sie sich wiederbegegnet sind, lebt er nur noch für sie.«
    Ich checke auf meiner Datenbank Tariq Fortesquieu. Die Datei mit den Lebensläufen wichtiger Personen spielt mir ein, dass er der entscheidende Kopf hinter der Planung und Gründung von Biome City war. Er war ein wahres wissenschaftliches Wunderkind, das schon früh ein Stipendium für das Biome Institute, den Vorgänger der Biome University, erhielt, um dort Astrophysik zu studieren. Er entdeckte die Formel, die schließlich einer von Umweltkriegen zerrütteten Welt wieder so etwas wie Frieden zurückbrachte. Mithilfe eines von ihm patentierten Verfahrens war es nämlich möglich, künstliche Wolken zu generieren, die Wasser auf vorher unbewohnbare Gegenden herabregnen ließen. Allein ihm war es zu verdanken, dass die karge und öde Wüste auf einmal zum städtischen Ballungsraum werden konnte. Millionen von Kriegsflüchtlingen fanden dank seiner Erfindung in Wüstenstädten eine neue Heimat. Biome City war das leuchtendste Juwel in der Krone der Schöpfungen, die allesamt auf das Bio-Engineering von Tariq Fortesquieu gegründet waren. Mit den neuen Städten blühte die Wirtschaft wieder auf. Es gab wieder Hoffnung.
    »Tahirs Surfunfall war für seine Eltern ein besonders grausamer Schicksalsschlag«, fährt Mutter fort. »Sie hatten früher bereits so viel verloren und so hart dafür gekämpft, noch einmal ein Kind zu bekommen.«
    »Kampf ist das Gegenteil von Ataraxia, oder?«, frage ich.
    »Da hast du vollkommen recht, Schätzchen. Deshalb ist Demesne für diejenigen, die es sich verdient haben, ja auch eine solche Erholung. Wie ich schon sagte, Bahiyya und Tariq haben dafür gekämpft, Tahir zu bekommen. Als sie sich in BC wiedergefunden haben, waren beide schon Ende vierzig. Sie haben sofort geheiratet und wollten unbedingt ein Kind. Aber Bahiyya war schon fast in den Wechseljahren und hatte außerdem entbehrungsreiche Kriegsjahre hinter sich. Sie wurde zwar schwanger, hatte dann aber eine Fehlgeburt und weder das viele Geld ihres Mannes noch seine heißgeliebte Wissenschaft konnten ihr in diesem Moment helfen. Den beiden lief die Zeit davon. Deshalb beschlossen sie irgendwann, sich von einer Leihmutter ein Kind gebären zu lassen.«
    »Ist Tahir tatsächlich ihr Sohn, ich meine genetisch?«, frage ich neugierig. Irgendwie würde es mich