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Betörend wie der Duft der Lilien

Betörend wie der Duft der Lilien

Titel: Betörend wie der Duft der Lilien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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natürlich die Musen des Orakels gewesen, die Quellen jeglicher Kunst und Weisheit.
    Was hätte sie jetzt für diese kindliche Unschuld und Ahnungslosigkeit gegeben, denn bei jedem Schritt auf dem bevölkerten Pfad, bei jedem höflichen Gruß, bei jedem Kichern und Geplauder stellte sie sich das Schlimmste vor. Da ist Calliope Chase! Ihr wisst doch, die hinter Lord Westwood her ist.
    Emmeline hakte sich strahlend bei ihr ein. „Ist die Luft nicht wunderbar?“
    „Ja, wirklich.“ Calliope fasste wieder Mut. Emmeline hatte sicher recht: Die Gerüchte über Lord Westwood und sie würden bald abklingen, wenn sie keine neue Nahrung erhielten.
    „Oh, schau, da ist einer deiner Verdächtigen.“
    „Hm.“ Calliope betrachtete Mr. Smithson, der im Vorübergehen seinen Hut zog. „Ich muss zugeben, dass er ein bisschen groß geraten ist. Schwer vorstellbar, dass er sich durch ein Fenster zwängt.“
    „Und erst Lord Deering da drüben! Seine alte Mutter soll ein echter Drachen sein; sie würde ihn mit einem Feuerstrahl aus ihren Nüstern einäschern, wenn er dem Familiennamen Schande bereiten sollte.“
    Calliope lachte. „Wer weiß; der Augenschein kann täuschen.“ Niemand wusste das besser als sie mit ihrer Leidenschaft für die Antike. Heute wirkten die alten Griechen so rational und kühl mit ihrem blendenden Weiß, dem die Architekten mit ihren Bauten im griechischen Stil und die Schneiderinnen mit ihren hellen Musselinkleidern huldigten. Doch damals waren die Statuen und Tempel grellbunt bemalt gewesen. Der griechische Ordnungssinn war mit einer ausgeprägten Neigung zur Narretei, zur Ekstase und zum Irrationalen einhergegangen.
    So waren die Menschen nun einmal, im modernen London wie im alten Athen. Schleier und Masken, und tief darunter verborgen der wahre Kern. Ein Rätsel.
    Das größte Rätsel von allen spazierte gerade in ihr Blickfeld: Lord Westwood. Schon wieder! Statt des hitzigen Höllengotts aus dem British Museum war er nun wieder der heitere, charmante Apoll. Er trug ein Päckchen unter dem Arm, lächelte die Passanten an und hielt mehrmals inne, um kichernden Backfischen die Hand zu küssen oder mit Freunden zu plaudern.
    Calliope stockte, als er näher kam, und bremste damit auch Emmeline.
    „Was ist los? Ach so, wenn man vom Teufel spricht …“
    „Lass uns umkehren“, schlug Calliope vor. „Wir haben die anderen schon fast abgehängt.“
    „Unsinn!“ Emmeline setzte ihren Weg so beherzt fort, dass Calliope ihr notgedrungen folgen musste. „Es würde den Klatsch nur befördern, wenn man dich vor ihm davonlaufen sähe. Wir müssen ihn höflich grüßen.“
    Als Lord Westwood sie entdeckte, runzelte er kurz die Stirn. Doch dann setzte er wieder sein strahlendes Lächeln auf und deutete eine Verbeugung an.
    „Miss Chase, Lady Emmeline. Ein idealer Tag für einen Spaziergang, nicht wahr?“
    „Ja, wirklich. Wir haben uns gerade überlegt, wie wir uns zum griechischen Ball des Duke of Averton kostümieren werden. Vielleicht können die Statuen des Parks uns inspirieren.“
    „Ich bin mir sicher, dass Sie beide die schönsten Erscheinungen des Abends sein werden, ganz gleich, was Sie tragen.“
    Emmeline lachte. „Miss Chase ganz sicher. Sie sieht ohnehin wie eine griechische Statue aus!“
    Er warf Calliope einen unergründlichen Blick zu. „Wie wahr.“
    „Oh!“ Emmeline löste sich abrupt von Calliope. „Da ist jemand, mit dem ich unbedingt sprechen muss. Wenn Sie mich entschuldigen möchten?“
    Was führte Emmeline nur im Schilde? Calliope versuchte ihre Hand zu erwischen, aber es war zu spät. Schon war sie mit Lord Westwood allein.
    Genau genommen nicht ganz allein. Halb London erging sich ringsum im Park. Calliope presste die Hände zusammen und besann sich auf ihr Vorhaben: nur nicht auffallen. Ganz ungezwungen wirken.
    „Sie haben also vor, den Maskenball zu besuchen?“ Seine Stimme war ebenso unergründlich wie sein Blick.
    „Selbstverständlich. Alle Welt wird dort sein, und ich möchte die Artemis wiedersehen. Vorausgesetzt … es spricht nichts dagegen. Sie scheinen den Duke of Averton recht gut zu kennen. Und ich hoffe doch, Lord Westwood, dass Sie mich warnen würden, wenn es Grund zur Sorge um meine Schwester gäbe. Obwohl Sie und ich nicht gerade auf freundschaftlichem Fuße stehen …“
    Endlich blitzte in seiner Miene ein wenig echtes Gefühl auf, wie die Sonne, die hinter den Wolken hervorlugt. „Tun wir das nicht, Miss Chase? Freundschaftlich miteinander

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