Betörende Versuchung
sich nie hätte träumen lassen. Eine Seite, die sie nie erwartet hätte, zu entdecken.
Auf einmal drehte sich alles in ihrem Kopf. Täuschte sie sich denn so in ihm? Steckte da mehr in ihm, als die Kavaliersfassade vermuten ließ? War es möglich, dass seine Arroganz nur eine Maske war und der Zynismus ein Schild?
Wie dem auch sei, es blieb keine Zeit zum Grübeln. Die Herzoginwitwe war vor ihnen stehen geblieben. Sie neigte ihr schneeweißes Haupt erst zur einen dann zur anderen Seite, als sie sie betrachtete. Ein leises Lächeln lag auf ihren Lippen. Noch bevor Arabella oder Justin ein Wort sagen konnten, sprach die Herzogin.
»Ich wusste es doch.« Unter ihrem Umhang bebten ihre knochigen Schultern vor Lachen. »Ich habe es doch gleich am ersten Abend gewusst, als ich euch beide auf dem Ball der Farthingales tanzen sah. «
Justin hob eine Braue. »Euer Hoheit? « , murmelte er.
Die Herzogin blickte auf Arabella. »Walter wäre nie der richtige Mann für dich, meine Liebe. Ich würde sagen, du hättest dich innerhalb eines Monats mit ihm zu Tode gelangweilt.«
Arabella atmete tief ein.
Die Herzogin stützte sich auf ihren Stock und fuhr fort: »Aber du und Justin ... nun, es ist genau, wie ich zu deiner Tante gesagt habe. Ihr beide seht fantastisch zusammen aus. Mir ist, als könne ich bereits die Hochzeitsglocken läuten hören! « Sie kicherte fast, als sie den Blick auf Justin richtete. Sie hob ihren Stock in die Luft und schüttelte ihn spielerisch. »Also dann«, meine sie munter, »dann gilt es ja nur noch, den richtigen Mann für Julianna zu finden. Oh, aber sie hat sich bisher als ziemlich störrisch erwiesen, nicht wahr? «
Arabella war sprachlos, als die Herzogin schließlich weiter schlenderte. Völlig schockiert war sie dann, als sie den Blick wieder auf Justin heftete und feststellen musste, dass in seinen Augen ein schelmisches Lachen aufblitzte. Wie konnte er es wagen zu lachen! Vor allem, wie brachte er es fertig angesichts dessen, was die Herzogin soeben über Hochzeitsglocken gesagt hatte?
Offenbar teilte Justin ihre Sprachlosigkeit nicht. »Wie du siehst«, sagte er sanft, »ist die Herzogin eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt und das ausspricht, was sie denkt. Außerdem hält sie sich für eine begnadete Kupplerin.«
Arabella schaute ihn über Geoffreys Kopf hinweg an. »Woher wusste sie über Walter Bescheid? Du hast doch versprochen, du würdest niemandem erzählen, dass er mir einen Antrag gemacht hat! «
» Und das habe ich auch nicht. «
»Dann, wie konnte sie bloß ... «
»Meine liebe Arabella, es war so offensichtlich, dass Walter von dir hingerissen ist. «
Tia, Justin selbst war sicher kaum von ihr hingerissen. Warum nur hatte die Herzogin dann so etwas gesagt? Und warum hatte Justin die Herzogin nicht über ihre wahre Beziehung zueinander aufgeklärt? Liebster Himmel, und warum hatte sie es nicht selbst getan?
Arabella wandte den Blick ab. Sie schluckte. Sie konnte seinem lachenden Blick nicht länger standhalten.
Ihr Herz krampfte sich zusammen; ein Gefühl der Hilflosigkeit befiel sie. Oh, Gott. Sie konnte nicht ... würde sich nicht ... sollte sich nicht in einen Mann wie ihn verlieben.
Trotzdem konnte sie einen bestimmten Gedanken nicht vertreiben. Was, wenn es bereits zu spät war?
Die Tischordnung beim Essen war dieselbe wie am Abend zuvor, mit dem Unterschied, dass McElroy nicht mehr anwesend war. Nach dem Essen versammelten sich die Herren bei Zigarren und Portwein, während sich die Frauen in den Salon zurückzogen. Arabella für ihren Teil fühlte sich jedoch irgendwie ruhelos. Sie spazierte mit Georgiana eine Weile draußen herum, und als sie zum Haus zurückkehrten, betrachteten sie zuerst die großen, in schwere Rahmen gefassten Bilder in der Ahnengalerie . Eines nach dem anderen sahen sie sich die Familie der Sterlings an. In Wahrheit hörte Arabella kaum hin, während Georgiana müßig erzählte. Ihre Gedanken waren ganz woanders. Aber plötzlich rief Georgiana aus: »Aber schau doch mal, hier sind Sebastian, Justin und Julianna! «
Das endlich weckte Arabellas Aufmerksamkeit, und sie trat näher heran. Die drei Sterling-Geschwister waren leicht zu erkennen; sie hatten sich offenbar seit ihrer Kindheit nur wenig verändert.
» Bei meinem Wort, sieh dir Justin an! Die Ähnlichkeit mit seiner Mutter ist verblüffend. «
Arabella hielt den Atem an. Georglana hatte Recht. Es war deutlich, von wem Justin sein Aussehen geerbt hatte. Beide
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