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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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entsetzliche Atemlosigkeit hatte mich befallen. Und in einem solchen Zustand denkst du daran, nach Palma zu fliegen unter allen diesen entsetzlichen Schwierigkeiten, die eine solche Reise unweigerlich verursacht, die einem Gesunden nicht das geringste ausmacht, die einem Kranken aber zuviel, möglicherweise den Tod zumutet. Nach einiger Zeit wischte ich aber, jetzt vorsichtiger, den zweiten Koffer ab und setzte mich dann in den eisernen Vorhaussessel, der mein Lieblingssessel ist. In den einen Koffer die Schriften über Mendelssohn Bartholdy, sagte ich mir, in den andern Kleider und Wäsche etcetera. In den größeren die Mendelssohn betreffenden Unterlagen, in den kleineren Kleider und Wäsche. Wozu habe ich dieses elegante Reisegepäck, sagte ich mir, das mindestens sechzig Jahre alt ist und aus den letzten Jahren meiner Großmutter mütterlicherseits stammt, die einen guten Geschmack hatte,wie genau wieder diese ihre Reisekoffer beweisen. Die Toscanischen haben einen guten Geschmack, sagte ich mir, das beweist sich immer wieder. Wenn ich weggehe, sagte ich mir auf dem eisernen Sessel, verlasse ich doch nur ein Land, an dessen absoluter Bedeutungslosigkeit ich tagtäglich nur auf das äußerste deprimiert bin. An dessen Stumpfsinnigkeiten ich doch nur tagtäglich zu ersticken drohe, an dessen Dummheiten ich auch ohne meine Krankheiten früher oder später zugrunde gehe. An dessen politischen wie kulturellen Verhältnissen, die in letzter Zeit so chaotisch geworden sind, daß es uns jedesmal, wenn wir aufwachen in der Frühe, noch bevor wir überhaupt aus dem Bett gestiegen sind, den Magen umdreht. An dessen Bedürfnislosigkeit an Geist ein Mensch wie ich schon lange nicht mehr verzweifeln, sondern nurmehr noch erbrechen kann, wenn ich die Wahrheit sage. Ich gehe aus einem Land, sagte ich mir auf dem eisernen Sessel, in welchem alles das, das einem sogenannten Geistesmenschen Vergnügen machte, und wenn schon nicht Vergnügen, so doch wenigstens ganz einfach die Möglichkeit, seiner Existenz nachzugehen, ausgetrieben, ausgemerzt, ausgelöscht ist, in welchem nurmehr noch der primitivste aller Erhaltungstriebe zu herrschen scheint und in welchem der allergeringste Anspruch eines sogenannten Geistesmenschen im Keim erstickt wird. In welchem der korrupte Staat und die ebenso korrupte Kirche gemeinsam an jenem unendlichen Strange ziehen, welchen sie seit Jahrhunderten mit der größten Rücksichtslosigkeit und gleichzeitig Selbstverständlichkeit um den Hals dieses blinden und von seinen Beherrschern tatsächlich in seine Dummheit eingesperrten und tatsächlich dummen Volkes gewickelt haben. In welchem die Wahrheit mit Füßen getreten und die Lüge als einziges Mittel für alle Zwecke von allen offiziellen Stellen geheiligt wird. Ich verlasse ein Land, sagte ich mir auf dem eisernen Sessel sitzend, in welchem die Wahrheit nicht verstanden oder ganz einfach nicht akzeptiert wird und das Gegenteil der Wahrheit einziges Zahlungsmittelfür alles ist. Ich verlasse ein Land, in welchem die Kirche heuchelt und der an die Macht gekommene Sozialismus ausbeutet und die Kunst diesen beiden nach dem Mund redet. Ich verlasse ein Land, in welchem sich ein zur Stupidität erzogenes Volk von der Kirche die Ohren und vom Staat den Mund stopfen läßt und in welchem alles das, das mir heilig ist, seit Jahrhunderten in den Mistkübeln seiner Beherrscher endet. Wenn ich weggehe, sagte ich mir auf dem eisernen Sessel, gehe ich ja nur aus einem Land weg, in welchem ich im Grunde nichts mehr zu suchen und in welchem ich auch mein Glück niemals gefunden habe. Wenn ich weggehe, gehe ich aus einem Land weg, in welchem die Städte stinkend und die Bewohner dieser Städte verroht sind. Ich gehe aus einem Land weg, in welchem die Sprache ordinär und der Geisteszustand derer, die diese ordinäre Sprache sprechen, alles in allem unzurechnungsfähig geworden sind. Ich gehe aus einem Land weg, sagte ich mir auf dem eisernen Sessel, in welchem die sogenannten wilden Tiere einziges Vorbild geworden sind. Ich gehe aus einem Land weg, in welchem auch bei hellichtem Tag die finstere Nacht herrscht und in welchem im Grunde genommen nur noch polternde Analphabeten an der Macht sind. Wenn ich weggehe, sagte ich mir auf dem eisernen Sessel, gehe ich ja nur aus dem sich in einem abstoßenden desolaten und ganz einfach unzumutbar schmutzigen Zustand befindlichen Abort Europas hinaus, sagte ich mir. Ich gehe weg, sagte ich mir, auf dem eisernen Sessel sitzend,

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