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Beton

Beton

Titel: Beton
Autoren: Thomas Bernhard
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heißt, ein Land hinter mich lassen, das mich seit Jahren nurmehr noch auf die schädlichste Weise bedrückt und mir bei jeder Gelegenheit, gleich wo und wann, nurmehr noch hinterhältig und böswillig auf den Kopf macht. Aber ist es nicht eine Verrücktheit, in einem Zustand und in einer allgemeinen Körperverfassung, die mir nicht einmal erlaubt, zweihundert Schritte außerhaus zu machen, an eine Palmareise zu denken?, fragte ich mich, auf dem eisernen Sessel sitzend. Und abwechselnd dachte ich, auf dem eisernen Sessel sitzend, anTaormina und das Timeo mit Christina und ihrem Fiat, und an Palma und das Meliá und die Cañellas mit ihrem dreistöckigen Palast und ihrem Mercedes, und ich sah mich, auf dem eisernen Sessel sitzend, aufeinmal schon durch die engen palmanesischen Gassen laufen. Durchlaufen!, rief ich auf dem eisernen Sessel aus und griff mich an den Kopf, wo ich im Grunde nicht einmal imstande bin, um mein Haus herumzugehen, geschweige denn, durch Palma zu laufen; ein solcher Gedanke eines Kranken wie ich, grenzt schon nicht nur an Größenwahn, er hat diese Grenze weit überschritten, sich selbst tatsächlich zu einer Verrücktheit gemacht und zwar zu einer solchen, die mir dann ganz einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte; ich hatte diese Verrücktheit auf dem eisernen Sessel nicht mehr abbrechen können und auch gar nicht den Versuch gemacht, im Gegenteil, ich trieb sie auf dem eisernen Sessel soweit, daß ich ganz von selbst das Wort verrückt ausrufen mußte, das Meliá oder das Timeo, die Christina oder die Cañellas, der Fiat oder der Mercedes, hatte ich die ganze Zeit auf dem eisernen Sessel denken und spekulieren müssen und mich an dieser lächerlichen Spekulation auch noch erfrischt, das Meliá mit seinen Hunderten und Tausenden von Jachten vor dem Fenster, das Großstädtische an Palma, das Timeo mit seinen Bougainvilleen, die am Fenster blühen, der unglaubliche Meereswind am Meliá, das uralte Badezimmer im Timeo, Christina oder die Cañellas, die Bougainvilleen oder der Meereswind, die Kathedrale oder das griechische Theater, dachte ich auf dem eisernen Sessel, die Mallorquiner oder die Sizilianer, der Ätna oder Pollensa, der Ramón Llull und der Rubén Darío, oder der Pirandello. Schließlich sagte ich mir, ich brauche im Augenblick und gerade weil ich mit meinem Mendelssohn Bartholdy anfangen will, eine großstädtische Atmosphäre , mehr Menschen, mehr Geschehen, mehr Turbulenz, dachte ich auf dem eisernen Sessel, nicht nur eine einzige Straße und die ansteigend und deshalb anstrengend , nicht nur ein Kaffeehaus, sondernviele solcher belebter Straßen (und Plätze!) und viele solcher Kaffeehäuser und überhaupt soviel Menschen um mich als möglich, denn nichts brauche ich jetzt mehr, als Menschen um mich; nicht daß ich mit ihnen verkehren will, nicht einmal mit ihnen reden will ich, dachte ich auf dem eisernen Sessel, aber um mich haben muß ich sie und ich entschied mich aus allen diesen begreiflichen Gründen für Palma und gegen Taormina, für die Cañellas außerdem und gegen Christina und alles in allem für ein gerade meinem Zustand in ganz entscheidendem Maße zuträgliches Klima, für ein sommerliches, das ich in Palma schon im Feber zu erwarten habe, nicht aber in Taormina, in welchem es im Feber noch winterlich ist und dazu auch noch die meiste Zeit regnet und den Ätna, dachte ich auf dem eisernen Sessel, sieht man im Feber nur selten und wenn, dann ist er von oben bis unten mit Schnee bedeckt und erinnert mich andauernd und auf die allerschädlichste Weise an die Alpen und also an Österreich und an zuhause, was mir am Ende dann doch nur immer wieder nichts als Übelkeit zu verursachen imstande ist. Aber das alles erschien mir aufeinmal doch nur als eine unsinnige Spekulation, von einem aufgeregten Kranken auf seinem eisernen Sessel angestellt, die mich in erster Linie nur noch trauriger machte, als ich schon war und die tatsächlich mit Niedergeschlagenheit endete. Aber es gab kein Entkommen mehr, obwohl ich mir noch immer auf dem eisernen Sessel sitzend, einredete, ob es nicht vielleicht doch genügte, einfach irgendeinen Nachbarn aufzusuchen. So stand ich auf und zog mich um und ging nach Niederkreut, das ganz in der Nähe liegt, das selbst von mir in meinem erbärmlichen Zustand zu erreichen ist und bei dem es sich um ein vierhundert Jahre altes Gemäuer handelt, feucht und unansehnlich, das von einem ehemaligen Kavallerieoffizier aus dem Ersten Weltkrieg, der
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