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Beton

Beton

Titel: Beton
Autoren: Thomas Bernhard
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Hund sollte das sein? Da müßte ich mir ja gerade nur wegen eines solchen Hundes einen Menschen, der diesen Hund betreut, ins Haus nehmen und ich vertrage keinen Menschen, weder vertrage ich einen Hund, noch einen Menschen. Ich hätte ja längst einen Menschen im Haus, wenn ich einen solchen Menschen aushalten würde, aber ich halte keinen aus, ich halte naturgemäß auch keinen Hund aus. Ich bin nicht auf den Hund gekommen, sagte ich mir und ich werde nicht auf den Hund kommen, ich werde krepieren, aber auf den Hund kommen werde ich nicht. In diesem Winkel, gleich neben der hofseitigen Eingangstür hockte der Hund und wir liebten ihn, aber heute müßte ich ein solches, ständig auf der Lauer liegendes Tier, hassen. Und die Wahrheit ist ja doch, daß ich mein Alleinsein liebe, ich bin ja nicht einsam und ich leide auch nicht darunter, wenn mir das meine Schwester auch fortwährend einzureden versucht, ich leide nicht darunter, ich bin mit meinem Alleinsein glücklich, ich weiß, was ich daran habe, ich beobachte es an den andern, die ein solches Alleinsein nicht haben, sich nicht leisten können, es sich lebenslänglich wünschen, aber nicht haben können. Die Leute haben einen Hund und sind von diesem Hund beherrscht und selbst Schopenhauer ist letztenendes nicht von seinem Kopf, sondern in Wahrheit von seinem Hund beherrscht gewesen. Diese Tatsache ist deprimierender als jede andere. Im Grunde bestimmte nicht der Kopf Schopenhauers dessen Denken, sondern der Hund Schopenhauers, nicht der Kopf hat Schopenhauers Welt gehaßt, sondern der Hund Schopenhauers. Ich muß nicht wahnsinnig sein, um zu behaupten, Schopenhauer habe einen Hund aufgehabt, keinen Kopf. Die Menschen lieben die Tiere, weil sie nicht einmal zur Selbstliebe fähig sind. Die in der Seele zutiefst Gemeinsten, halten sich Hunde und lassen sich von diesen Hunden tyrannisieren und schließlich kaputtmachen. Sie setzen den Hund an die erste und an die oberste Stelle ihrer letztenendesgemeingefährlichen Heuchelei. Lieber würden sie ihren Hund vor dem Fallbeil retten, als Voltaire. Die Masse ist für den Hund, weil sie in ihrem Innersten nicht einmal die Anstrengung auf sich nehmen will, mit sich allein zu sein, was tatsächlich Seelengröße voraussetzt, ich bin nicht die Masse, ich bin mein Leben lang gegen die Masse gewesen und ich bin nicht für den Hund. Die sogenannte Tierliebe hat schon soviel Unheil angerichtet, daß wir, wenn wir tatsächlich mit der größtmöglichen Intensität daran denken würden, augenblicklich ausgelöscht werden müßten vor Erschrecken. Es ist nicht so absurd, wie es zuerst erscheint, wenn ich sage, die Welt verdankt ihre fürchterlichsten Kriege der sogenannten Tierliebe ihrer Beherrscher. Das ist alles dokumentiert und man solle sich diese Tatsache einmal klarmachen. Diese Leute, Politiker, Diktatoren, sind von einem Hund beherrscht und stürzen dadurch Millionen Menschen ins Unglück und ins Verderben, sie lieben einen Hund und zetteln einen Weltkrieg an, in welchem Millionen getötet werden wegen dieses einen Hundes. Man denke nur einmal nach, wie die Welt aussehen würde, wenn man diese sogenannte Tierliebe einmal wenigstens um ein paar lächerliche Prozente einschränken würde zugunsten der Menschenliebe, die naturgemäß auch nur eine sogenannte ist. Die Frage kann gar nicht sein, halte ich mir einen Hund oder halte ich mir keinen Hund, ich bin von meinem Kopf aus gar nicht imstande, mir einen Hund zu halten, der außerdem, wie ich weiß, auf intensivere Weise gepflegt und beachtet werden muß, wie jeder Mensch, mehr gepflegt werden und beachtet werden muß, als ich selbst fordere, aber die Menschheit findet gar nichts dabei, daß sie, alle Erdteile eingeschlossen, die Hunde besser pflegt und viel mehr beachtet, als ihre Mitmenschen, ja sie in allen diesen Milliarden von Hundefällen besser pflegt und mehr beachtet, als sich selbst. Ich erlaube mir, eine solche Welt tatsächlich als eine perverse und in höchstem Grade unmenschliche und total verrückte zu bezeichnen. Bin ich da, ist derHund auch da, bin ich dort, ist der Hund auch dort. Muß der Hund hinaus, muß ich mit dem Hund hinaus etcetera. Ich dulde die Hundekomödie, die wir tagtäglich, wenn wir die Augen aufmachen und uns noch nicht mit der tagtäglichen Blindheit daran gewöhnt haben, sehen, nicht. In dieser Hundekomödie tritt ein Hund auf, der einen Menschen sekkiert, ausnützt und ihm im Verlaufe mehrerer oder weniger Akte, seine harmlose
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