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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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schnüren nur seinen Hals zu und verhindern in jedem Fall seine Entfaltung. Das möchte dir so passen, auch noch aus Peiskam deinen Profit zu machen, hatte ich gesagt und sie, was mich erstaunte, damit nicht einmal verletzt. Jetzt denke ich, daß sie wahrscheinlich tatsächlich gänzlich auf mich eingegangen war, um mir zuhilfe zu kommen, die grauenhafte, als welche ich sie für mich immer bezeichnete, wenn ich Gelegenheit dazu hatte. Es ist ja schon eineinhalb Jahre, daß du nicht mehr aus Peiskam weg bist, sagte sie mehrere Male. Ich war wütend, weil sie keine Ruhe gab, mich aus Peiskam hinauszubringen. Niemand reist so gern wie du und jetzt sitzt du seit eineinhalb Jahren hier herum und gehst ein! Sie sagte es ganz ruhig, wie ein Arzt, denke ich jetzt. Hier wirst du mit deinem Mendelssohn Bartholdy niemals anfangen können, das garantiere ich dir. Du bist an die Unproduktivität festgenagelt. Einerseits ist Peiskam eine Gruft, andererseits ist es ein fortwährend lebensbedrohender Kerker, sagte sie. Und tatsächlich hatte sie darauf aufeinmal lange Zeit vom Timeo geschwärmt, in welchem sie einmal mit mir gewesen ist vor fünfzehn Jahren, siehst du sie denn nicht, die Bougainvilleen?, sagte sie. Aber alles, was sie sagte, war mir lästig. Sie redete und redete auf mich ein und dachte nicht daran, abzureisen. Bis es ihr dann doch zu dumm gewesen war, weilsie einsehen mußte, daß ich nicht davon zu überzeugen war, wieder einmal aus Peiskam weggehen zu müssen, um mich zu retten und abreiste. Aber jetzt hatte sie ihren Triumph, jetzt war ich ihren Gedanken gefolgt, hatte aufeinmal mit aller Kraft zugegriffen, ich reise tatsächlich ab, dachte ich. Aber um zu diesem Entschluß und zu diesem Ergebnis, nämlich Palma, zu kommen, mußte sie vorher abgereist sein. Jetzt tat ich ihr gegenüber so, als wäre, nach Palma zu reisen, mein Einfall, meine Erfindung, mein Entschluß. Damit belog ich nicht nur sie, was naturgemäß gar nicht möglich war, weil sie mich ja durchschaute, sondern am meisten mich selbst. Du bist und bleibst der Verrückte, dachte ich. Am Abreisetag hatte es zwölf Grad minus noch um acht Uhr früh. Am Vortag war die Kienesberger im Haus gewesen und ich hatte alles notwendige mit ihr besprochen, vor allem, daß sie das Haus nicht auskühlen lassen solle, dreimal wöchentlich, wenn auch nicht übermäßig, so doch ordentlich einheizen, hatte ich zu ihr gesagt, denn es gibt nichts Fürchterlicheres, als in ein vollkommen altes, ausgekühltes Haus zurückzukommen und ich wisse ja nicht, wann ich wieder zurückkäme, ich dachte in drei Monaten, in zwei Monaten, in vier Monaten und sagte zur Kienesberger in drei oder vier Wochen, ich gab ihr den Auftrag, endlich die Fenster zu putzen, wenn die Kälte nachgelassen habe, die Möbel zu polieren, die Wäsche zu waschen etcetera, vor allem bat ich sie, den Hof aufzuräumen und wenn Schnee fällt, ihn möglichst sofort wegzuräumen, damit die Leute glauben müssen, ich sei da und nicht fort, aus diesem Grund hatte ich auch in dem obersten Westzimmer eine sogenannte Zeituhr an einer Lampe installiert, die mehrere Stunden am Abend und in der Frühe Licht macht, das praktiziere ich immer, wenn ich verreise, ich hatte soviel auf die Kienesberger eingeredet, daß es mich plötzlich vor mir selbst grauste, denn ich hatte, obwohl ich ihn in Wirklichkeit ja schon abgebrochen gehabt hatte, meinen eigenen entsetzlichen Redeschwall noch im Ohr, wie die Hemden zubügeln und aufeinanderzulegen seien und die Post zu stapeln, die der Briefträger durch das immer offene Fenster auf der Ostseite, im sogenannten Mostpressenzimmer, hereinwirft, wie sie die Treppen polieren soll, wie sie die Teppiche ausklopfen soll, wie sie die überall hinter den Vorhängen und in diesen tief innen versteckten Spinnweben entfernen solle etcetera. Daß sie den Nachbarn nicht sagen solle, wohin ich gereist sei, das ginge niemanden etwas an, daß ich möglicherweise morgen zurückkomme, jedenfalls meine Rückkehr jeden Augenblick möglich sei, daß sie die Betten abziehen und die Matratzen lüften und dann alles wieder frisch beziehen solle etcetera. Und daß sie niemals und in keinem einzigen Fall, etwas auf meinem Schreibtisch berühren dürfe, aber das habe ich schon tausende Male gesagt und sie hatte sich immer streng an diese meine Anordnung gehalten. Im Grunde ist die Kienesberger jahrelang der einzige Mensch, mit welchem ich spreche, sage ich mir, wenn das auch tatsächlich maßlos

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