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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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die geringste Beziehung. Daß ich einmal glaubte, mich verehelichen zu können! Kinder zu haben! Vielleicht Militär!, habe ich sogar einmal gedacht, General, Generalfeldmarschall, wie einer meiner Vorfahren! Absurd. Es gibt nichts, für das ich nicht einmal alles gegeben hätte, sagte ich mir. Aber alle diese Spekulationen haben sich, wenn schon nicht in Nichts, so doch in der Lächerlichkeit aufgelöst. Armut, Reichtum, Kirche, Militär, Parteien, Fürsorgeeinrichtungen, alles lächerlich. Geblieben ist mir letztenendes nur meine eigene Armseligkeit, aus welcher nicht mehr allzuviel herauszuholen ist. Aber es ist gut so. Keine Lehre verfängt mehr, alles, das gesagt und gepredigt wird, fällt der Lächerlichkeit anheim, dazu ist nicht einmal mehr mein Hohn notwendig, nichts mehr, gar nichts. Wenn wir die Welt wirklich kennen, ist sie nurmehr noch eine solche voller Irrtümer. Aber wir trennen uns doch ungern von ihr, weil wir trotz allem ziemlich naiv und kindlich geblieben sind,dachte ich. Wie gut, sagte ich mir, daß ich den Augendruck habe messen lassen. Achtunddreißig! Wir dürfen uns nichts vormachen. Wir können in jedem Augenblick umkippen. Immer mehr Träume, in welchen die Menschen fliegen, zum Fenster hinaus und wieder herein, schöne Menschen, Gewächse, die ich vorher nie gesehen habe, die riesigen Blätter, so groß wie Regenschirme. Wir treffen alle Vorsichtsmaßnahmen, aber nicht für das Leben, für das Sterben. Es war ein plötzlicher Entschluß, meinem Neffen neunhunderttausend zu geben, um auch diese Tatsache jetzt einzugestehen, damit er sich, wie er sagt, eine den heutigen Verhältnissen angepaßte Praxis einrichten kann. Was ist den heutigen Verhältnissen angepaßt? Es war einerseits ein Unsinn, ihm diesen doch ziemlich hohen Betrag zu schenken für nichts, andererseits, was machen wir mit dem Geld? Wenn meine Schwester daraufkommt, daß ich die Grundstücke in Ruhsam verkauft habe, bin ich ja nicht mehr da. Dieser Gedanke beruhigt mich. Ich habe den Voltaire eingepackt, dachte ich und den Dostojevski, eine gute Entscheidung. Früher habe ich zu den einfachen Leuten, die ich seit langem nur die sogenannten einfachen Leute nenne, einen recht guten Kontakt gehabt, ich habe sie beinahe täglich aufgesucht, aber die Krankheit hat alles verändert, jetzt suche ich sie nicht mehr auf, jetzt fliehe ich sie, wo ich kann, verberge mich vor ihnen. Abreisen macht traurig, dachte ich dazwischen. Die sogenannten einfachen Leute, wie zum Beispiel die Holzfäller, hatten mein Vertrauen, sie hatten ihr Zutrauen mir gegenüber. Ich verbrachte halbe Nächte bei den Holzfällern. Jahrzehnte hatten nur sie meine Sympathie! Sie sehen mich gar nicht mehr. Und in Wahrheit drängen wir, die wir im Grunde für alles Einfache ruiniert sind, uns diesen Leuten nur auf, wir nehmen ihnen nur die Zeit, wenn wir mit ihnen zusammen sind, nützen ihnen nicht, schaden ihnen nur. Ich würde ihnen jetzt doch nur alles das ausreden, woran sie hängen, an der sozialistischen Partei beispielsweise oder an der katholischen Kirche, beidesheute wie immer skrupellose Vereine zur Ausbeutung der Menschen. Aber es ist grundfalsch, zu sagen, nur der im Geist Schwache wird ausgenützt, alle werden sie ausgenützt, das ist andererseits wieder beruhigend, es ist der Ausgleich, vielleicht geht es nur so weiter. Wenn ich die ekelhaften Zeitungen, die bei uns erscheinen, die gar keine Zeitungen sind, nur Schmutzblätter, die von geldgierigen Emporkömmlingen herausgegeben werden, nicht mehr lesen muß, wenn ich das, was mich hier umgibt, nicht mehr sehen muß!, sagte ich mir. Ein Trugschluß, wie ich jetzt sehe, folgte, während ich in meinem Fauteuil saß bis zur Abreise, dem andern. Ich verlasse ja ein vollkommen ruiniertes Land, ein widerwärtiges Staatsgebilde, vor welchem einem an jedem Morgen graust. Zuerst haben es die sogenannten Konservativen ausgebeutet und weggeworfen, jetzt die sogenannten Sozialisten. Ein renitenter, perfider Dummkopf als alter Kanzler, größenwahnsinnig, unberechenbar, gemeingefährlich. Wenn ein Mensch sagt, die Tage sind gezählt, macht es ihn lächerlich. Warum habe ich eigentlich niemandem mehr geschrieben, mich auch aus meiner Korrespondenz zurückgezogen?, früher habe ich, wenn auch nicht unbedingt gern, so doch regelmäßig geschrieben. Ganz unbewußt geben wir alles auf und es ist weg. War es mein zunehmend sich verschlimmernder Zustand, der meine Schwester solange in Peiskam hat ausharren lassen, nicht,

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