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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Körper und meinen Kopf so fest an den Türpfosten, daß ich vor Schmerz hätte schreien können. Am Ende, sagte ich mir wieder, noch lange nicht bei klarem Kopf, wenn ich glaube, alles kontrolliert zu haben, vor allem alle Wasserleitungen und die elektrischen, lasse ich mich in den Fauteuil fallen, springe aber sofort wieder auf, weil ich vergessen habe, den Heißwasserspeicher zurückzustellen, was ich von der Kienesberger nicht verlangen kann und ich räume den großen Schmutzwäschekorb aus, um die ganze Schmutzwäsche, Berge in vielen Wochen, wie sich in meiner Lage, in welcher ich tagtäglich mehrere Male total verschwitzt bin, denken läßt, alle diese Wäschestücke außerdem mit dem Geruch der Unmengen von Aldactone-Saltucin, die ich zur Entwässerung und also zur Entlastung meines Herzens einzunehmen habe, es ekelte mich, als ich diese Wäschestücke aus dem Korb herausnahm, um sie auf den Wäschetisch zu werfen, obwohl oder gerade weil es meine eigene Wäsche war, ich fing, ohne zu merken, daß das möglicherweise auch schon eine Verrücktheit ankündigte, an, alle diese Wäschestücke zu zählen, was naturgemäß ein völliger Unsinn gewesen ist, aber als mir diese Unsinnigkeit zu Bewußtsein gekommen war, hatte ich schon einen Höchstgrad an Erschöpfung erreicht und ich hatte Mühe, zurück in den ersten Stock hinaufzukommen, um mich wieder in meinen Fauteuil zu setzen. Das Unglück der Menschen ist ja, daß sie sich immer für etwas entscheiden, das ganz gegen ihren Willen ist letztenendes, und wenn ich es jetzt, im Fauteuil sitzend, genauer betrachtete, war mein abrupter Entschluß, Peiskam hinter mich zu lassen, umnach Palma, in dem ich allerdings die Cañellas in ihrem Palast auf der Borne habe, zu fliegen, aufeinmal vollkommen gegen mich gerichtet, ich verstand meine Entscheidung nicht, aber sie war, das sah ich ein, jetzt, unter allen diesen nun einmal heraufbeschworenen Umständen, nicht mehr rückgängig zu machen, ich mußte weg, wenigstens den Versuch machen, in Palma an die Arbeit zu gehen, wenigstens den Versuch machen, fortwährend sagte ich mir die Wörter vor, wenigstens den Versuch machen, wenigstens den Versuch machen. Warum habe ich mir denn gerade in den letzten Wochen den Fauteuil mit dem französischen Samt beziehen lassen, wenn ich mich jetzt nicht daraufsetze und den Fauteuil genieße, sagte ich mir, was habe ich von der neuen Schreibtischlampe jetzt, von der neuen Jalousie, wenn ich abreise, möglicherweise in eine neue Hölle? Ich versuchte, während ich mich vergewisserte, ob ich auch tatsächlich alles Notwendige, wenigstens alles unbedingt Notwendige eingepackt habe in meine Koffer und in die kleine großväterliche Reisetasche, ohne die ich niemals reise, mich zu beruhigen, dachte aber gleichzeitig, wie kann ich, in meiner augenblicklichen Verfassung überhaupt auf die Idee kommen, mich beruhigen zu können, es war tatsächlich ein absurder Gedanke von mir, der ich in dem Fauteuil völlig zusammengesunken war und sogar das Gefühl hatte, nicht mehr aufstehen zu können. Und ein solcher ja schon halbtoter Mensch fliegt nach Palma, sagte ich mir mehrere Male vor, wieder halblaut, wie es meine nicht mehr auszumerzende Gewohnheit geworden ist, wie die alten Leute, die jahrelang allein sind und nur noch darauf warten, daß sie endlich sterben können, ich war schon so ein alter Mensch, während ich da im Fauteuil saß, ein Greis, mehr schon auf der anderen Seite, auf der Seite der Gestorbenen, als auf der der Lebenden, ich mußte einen erbärmlichen und ja mit Sicherheit einen erbarmungswürdigen Eindruck gemacht haben auf meinen Beobachter, der nicht da war, wenn ich selbst mich schon nicht als diesen Beobachter meinerselbst bezeichnen will, was aber eine Dummheit ist, denn ich bin mein Beobachter, ich beobachte mich tatsächlich seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten ununterbrochen selbst, ich lebe nurmehr noch in der Selbstbeobachtung und in der Selbstbetrachtung und naturgemäß dadurch in der Selbstverdammung und Selbstverleugnung und Selbstverspottung. Ich lebe jahrelang in diesem Zustand der Selbstverdammung, der Selbstverleugnung und der Selbstverspottung, zu welcher ich letztenendes immer Zuflucht nehmen muß, um mich zu retten. Nur frage ich mich die ganze Zeit: vor was retten? Ist das denn wirklich so schlimm, vor welchem ich mich andauernd retten will? Nein, es ist nicht so schlimm, sagte ich mir und ich setzte gleich wieder meine Selbstbeobachtung und

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