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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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amüsieren können. Aber das ist solange her, daß davon keine Spuren mehr zu erkennen sind. Dieses Haus schreit ja nach Gesellschaft!, hat meine Schwester erst kürzlich ausgerufen. Du hast es zu einer Gruft gemacht! Ich verstehe gar nicht, wie du dich in eine solche entsetzliche Richtung hinein hast entwickeln können. Es war, obwohl pathetisch gesagt, ernstgemeint und traf mich sogar ins Innerste. Heute gingen mir alle diese Menschen nurmehr noch auf die Nerven. Und tatsächlich war ich es, der alle diese Leute jahrelang unterhalten und sogar belehrt hat, aber vergeblich. Am Ende halten sie einen für einen Narren. Ich weiß nicht, war die Krankheit zuerst da, oder meine plötzliche Abneigung gegen jede Art von Gesellschaft, hatte ich zuerst die Abneigung dagegen und hat sich aus dieser Abneigung meinerseits heraus die Krankheit entwickeln können oder war die Krankheit zuerst und aus dieser Krankheit entwickelte sich meine Abneigung gegenüber dieser Gesellschaft und gegen diese Gesellschaften und gegen die Gesellschaft überhaupt, ich weiß es nicht. Hatte ich sie vertrieben alle diese Leute, oder hatten sie sich von mir zurückgezogen? Ich weiß es nicht. Hatte ich den Verkehr mit ihnen eingestellt oder umgekehrt? Ich weiß es nicht. Ich hatte ja einmal die Idee gehabt, über diese Leute zu schreiben, aber dann gab ich den Gedanken auf, er war mir zu unsinnig. Einmal denken wir über diese Leute wirklich nach und hassen sie aufeinmal, wir können nicht anders, als sie hassen und entfernen sie oder umgekehrt, weil wir sie von einem Augenblick auf den andern ganz deutlich sehen, müssen wir uns von ihnen zurückziehen, oder umgekehrt. Jahrzehntelang war ich ja in dem Glauben gewesen, daß ich gar nicht allein sein kann, daß ich alle diese Leute brauche, aber in Wirklichkeit brauche ich alle diese Leute nicht, ich bin gut ohne sie ausgekommen. Sie kommen ja nur, um sich zu entlasten und ihr ganzes Elend und ihren ganzen Kummer und den damit verbundenenSchmutz auf mich abzuladen. Wir glauben, wenn wir sie einladen, sie bringen uns etwas mit, naturgemäß etwas Erfreuliches oder Erfrischendes, aber sie nehmen uns nur alles, was wir haben, weg. Sie drängen uns in unserem eigenen Haus in irgendeinen Winkel, aus welchem es schließlich kein Entkommen mehr gibt und saugen uns auf die rücksichtsloseste Weise aus, bis nichts mehr in uns ist, als der Ekel über sie; dann verabschieden sie sich und lassen uns stehen und mit allen unseren Fürchterlichkeiten wieder allein. Indem wir sie uns ins Haus holen, holen wir ja doch nur unsere Peiniger ins Haus, aber wir haben keine andere Wahl, als uns immer wieder gerade die ins Haus kommen zu lassen, die uns vollkommen ausziehen und wenn wir dann nackt vor ihnen stehen, auslachen. Wer so denkt, darf sich natürlich nicht wundern, daß er sich mit der Zeit vollkommen isoliert, daß er eines Tages gänzlich allein dasteht, und was das heißt, in der letzten und allerletzten Konsequenz! Wir ziehen das ganze Leben lang immer wieder einen Schlußstrich, obwohl wir wissen, daß wir dazu gar nicht in der Lage sind. Wenn wir diese Krankheit haben, fällt uns auf, daß alle Leute viel zu laut sind. Und es nicht merken! Sie brutalisieren alles. Sie stehen laut auf und gehen den ganzen Tag laut umher und legen sich auch wieder laut nieder. Und sie reden ununterbrochen viel zu laut. Sie sind so von sich eingenommen, daß sie gar nicht merken, daß sie den Andern, den Kranken, fortwährend verletzen, alles, das sie tun, alles das sie sagen, verletzt Unsereinen. So drängen sie den Kranken mehr und mehr in den Hintergrund, bis er gar nicht mehr wahrgenommen wird. Und der Kranke zieht sich selbst in seinen Hintergrund zurück. Aber jedes Leben, jede Existenz gehört nur einem und zwar diesem einzigen und kein anderer hat das Recht, irgendein solches Leben und eine solche Existenz zu verdrängen, abzudrängen, hinauszudrängen aus dem Leben. Wir gehen ganz von selbst, wozu wir wieder ein Recht haben. Naturgemäß. Ich habe den entscheidenden einzigen möglichen Zeitpunkt, nämlichals meine Eltern tot waren, übersehen, ich hätte, wie meine Schwester, Peiskam den Rücken kehren sollen, tatsächlich, ich hätte es verkaufen sollen und mich dadurch retten , aber ich hatte nicht die Kraft dazu, jahrelange Niedergeschlagenheit nach dem Tod der Eltern hat es mir unmöglich gemacht, überhaupt irgendeine Initiative zu ergreifen, nicht einmal ein Studium habe ich anfangen können, ja, ich habe

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