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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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von welchem wir auch nicht wissen, wie tief er ist. Das ist auch gleich, wenn er in jedem Fall tödlich ist, was wir wissen. Ich hatte früher immer Fragen gestellt an die Andern, solange ich zurückdenken kann, die erste Frage mit Sicherheit an meine Mutter, die Eltern schließlich mitFragen an den Rand des Wahnsinns gebracht, plötzlich fragte ich nurmehr noch mich selbst und auch nur dann, wenn ich mir sicher war, daß ich schon eine Antwort auf meine Frage parat habe. Jeder einzelne ist ein Virtuose auf seinem Instrument, alle zusammen eine unerträgliche Kakophonie. Dieses Wort Kakophonie war übrigens das Lieblingswort meines Großvaters mütterlicherseits. Und das Wort, das er am meisten und am tiefsten haßte, war das Wort Denkanstöße . Eines seiner Lieblingswörter war übrigens das Wort Charakter . Zum erstenmal war mir, während dieser Überlegungen, aufgefallen, wie ungemein bequem mein Fauteuil in Wahrheit ist, vor drei Wochen noch ein Gerümpel, ist er jetzt, nachdem er beim Tapezierer gewesen ist, ein Luxusstück. Aber was habe ich davon, wenn ich jetzt wegfahre. Innerlich wehrte ich mich schon ganz gewaltig gegen meine Abreise. Aber ich konnte sie tatsächlich nicht mehr rückgängig machen. Und dann wollte ich auch wieder nicht gerade dem augenblicklichen Gefühl, doch an Peiskam zu hängen, in Wirklichkeit alles andere nur als lästig zu empfinden, als beschwerlich, nutzlos, nachgeben. Ein Paar schwarze und ein Paar braune Schuhe, sagte ich mir und ein Paar für absolutes Unwetter. Wenn ich am Molo entlanglaufe, was ich immer gern getan habe. Aber an Laufen war natürlich gar nicht zu denken. Du wirst ganz langsam zum Molo hinuntergehen und deine Beobachtungen machen und sehen, wie weit du kommst. Die ersten Tage eines solchen radikalen Klimawechsels sind die gefährlichsten, übernehmen darfst du dich nicht, sagte ich mir. Die Leute, wie ich es selbst mit Schrecken erlebt habe, kommen um neun Uhr früh an, stellen sich unter die Dusche und laufen auf eine Tennispartie, fallen tot um und sind um zwei Uhr nachmittag schon auf dem Friedhof. Der Süden beseitigt die Toten sofort. Alles langsam, langsam aufstehen, langsam frühstücken, langsam in die Stadt gehen, aber am besten am ersten Tag nicht gleich in die Stadt, nur zum Molo hinunter. Ich atmete jetzt tief ein und richtete mich sohoch als möglich auf und ließ mich dann aus Erschöpfung in den Fauteuil fallen. So alt wir sind, wir erwarten immer noch eine Wendung, sagte ich mir, immer wieder eine entscheidende Wendung, weil wir vom klaren Verstand weit entfernt sind. Alle diese entscheidenden Wendungen liegen Jahrzehnte zurück, nur haben wir sie damals nicht als solche entscheidende Wendungen wahrgenommen. Die Freunde von früher, sind entweder tot und haben ein unglückliches Leben gelebt, sind verrückt geworden, bevor sie gestorben sind, oder leben irgendwo und gehen mich nichts mehr an. Alle haben sich in ihre Idee verrannt und sind inzwischen alt geworden, haben im Grunde, auch wenn sie, wie ich weiß, noch da und dort wild herumschlagen, aufgegeben. Treffen wir sie, reden sie, als wäre keine Zeit vergangen in den letzten Jahrzehnten und reden also ins Leere. Es hat eine Zeit gegeben, in welcher ich tatsächlich Freundschaften, wie gesagt wird, gepflegt habe. Aber das alles ist irgendwann einmal abgerissen und außer, daß ich ab und zu etwas von dem einen oder anderen, den ich einmal für unentbehrlich gehalten habe, etwas in der Zeitung lese, irgendeine Dummheit, eine Geschmacklosigkeit, höre ich von ihnen nichts mehr. Fast alle haben eine Familie gegründet, wie gesagt wird, ihre Geschäfte gemacht und sich Häuser gebaut und sich in alle Richtungen abzusichern versucht und sind im Lauf der Zeit uninteressant geworden. Ich sehe sie nicht mehr und wenn, so haben wir uns nichts mehr zu sagen. Der eine pocht ununterbrochen darauf, daß er Künstler sei, ein anderer, Wissenschaftler, ein dritter ein erfolgreicher Kaufmann, dabei wird mir schon schlecht, wenn ich sie nur sehe und noch lange bevor sie den Mund aufmachen, aus welchem nur Banales und immer wieder nur Angelesenes und nichts Eigenes herauskommt. Es ist unvorstellbar, daß dieses Haus einmal auch voller Leute gewesen ist, die ich selbst eingeladen habe und die sich hier durch ganze lange Nächte durchgetrunken und durchgegessen und durchgelacht haben. Daß ich Gesellschaftennicht nur geliebt, sondern auch gegeben habe, daß ich mich wirklich an solchen Gesellschaften habe

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