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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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und mir das gewünschte Zimmer gegeben. Ich werde meine Koffer ganz langsam auspacken, sagte ich mir, während ich, flach auf dem Bett liegend, die Zimmerdecke beobachtete und meine Phantasien da wieder fortzusetzen imstande war, wo ich sie in Peiskam abgebrochen hatte. Der Flug war, wie alle vorher schon überstandenen, auch wieder der fürchterlichste aller fürchterlichen gewesen. So, als dürfe ich es eigentlich nicht, stand ich aber dann in der zweiten Nacht gegen drei Uhr früh auf und fing an, meine Koffer auszupacken, dabei stellte ich fest, daß ich gar nicht so schwach war, wie ichgeglaubt hatte. Ich liebe diese großen, normalerweise für zwei Personen bestimmten Zimmer, die dazu auch noch ein großes Bad und ein nicht weniger großes Vorzimmer haben und von welchen aus man nicht nur auf die Altstadt, sondern auch gleichzeitig auf das Meer schauen kann. Und die absolut ruhig sind. In der Frühe höre ich nur die Hähne krähen, ein paar dumpfe Schläge von der Schiffswerft herüber, Hundebellen und vielleicht auch noch das Keifen einer Mutter gegen ihr ungezogenes Kind. Ich habe hier nicht den Eindruck, von den Einheimischen isoliert zu sein, obwohl mich, der ich tatsächlich in einem solchen großzügigen Zimmer im Luxus lebe und die in der Altstadt unter mir gerade im Gegenteil von diesem Luxus, doch fast alles von ihnen trennt. Aber meine Krankheit, so denke ich, entschuldigt diesen Luxus. Aber im Grunde habe ich überhaupt keine Skrupel mehr, sage ich mir. Am Lebensende sind Skrupel das Lächerlichste. Nach dem ersten Frühstück fing ich an, meine Koffer auszupacken. Zuerst den Kleiderund Wäschekoffer. Kaum hatte ich ein paar Kleidungsoder Wäschestücke herausgenommen und im Kasten verstaut, war ich schon wieder auf das Bett niedergeworfen. Eine wie schon lang nicht so heftige Atemnot machte mir die größten Schwierigkeiten. Ich schob diesen Umstand auf den abrupten Klimawechsel, welcher sich ja sogar auf den Gesunden zuerst einmal verheerend auswirkt, geschweige denn auf einen wie ich. Aber schließlich hatte ich den ersten Koffer ausgepackt und ich ging daran, den zweiten auszupacken, also den, in welchem alle Bücher und Schriften waren, die ich für meine Arbeit über Mendelssohn Bartholdy mitgenommen hatte. Zuerst wußte ich nicht, wohin mit den Büchern und Schriften und ich überlegte, wo mit den einen hin und wo mit den andern, bis ich einen Plan aufgestellt hatte, wie diese Bücher und Schriften auf dem Tisch und im Kasten unterzubringen sind und nach diesem Plan ging ich während des tatsächlichen Auspackens vor. Ich fragte mich währenddessen, ob es überhaupt einen Sinn hat, eine solcheArbeit wie die über Mendelssohn Bartholdy noch anzugehen. Einerseits sagte ich mir, eine solche Arbeit anzugehen, ist sinnlos, andererseits sagte ich mir, du mußt diese Arbeit angehen, koste es, was es wolle . Aber rechtfertigen allein die Vorbereitungen von einem Jahrzehnt, denn solange bereitete ich mich ja auf diese Arbeit vor, die Inangriffnahme einer solchen Arbeit, wenn man sich in einem solchen total abgenutzten Zustand befindet, in dem ich mich befinde? Ich sagte abwechselnd, nichts rechtfertigt eine solche Arbeit und alles rechtfertigt eine solche Arbeit. Es war das beste, die Frage nach Sinn oder Unsinn einer solchen Arbeit weiter zu stellen, aufzugeben und ich gab sie auf und tat so, als sei ich entschlossen, die Arbeit tatsächlich so bald als möglich anzugehn. Sollte ich gerade jetzt, so knapp vor dem Ziel, alles hinwerfen, mir alles zunichte machen, woran letztenendes meine ganze Existenz hing, an dem dünnen Faden von ein bißchen Hoffnung, diese Arbeit am Ende doch noch zustande zu bringen? Ich werde die Arbeit schreiben, wenn ich auch nicht sofort damit anfangen kann, das hatte ich ja vorausgesehen und niemals geglaubt, denn ich bin ja nicht so verrückt, der absoluten Absurdität zu verfallen, wenn nicht heute, so morgen, wenn nicht morgen, so übermorgen, undsofort. Allein wegen dieser Arbeit habe ich ja die Reise auf mich genommen, sagte ich mir. Ich redete mir gut zu, richtete alles auf dem Schreibtisch so her, daß ich jederzeit hätte mit der Arbeit anfangen können und setzte mich auf dem Balkon auf den weißgestrichenen Eisenblechsessel und legte mich dann wieder auf mein Bett und wechselte mehrere Stunden, bis der Tag zuende gegangen war, vom Balkonsessel auf das Bett und umgekehrt. Gegen Abend ging ich in die Stadt hinein. Hatte ich mir ursprünglich vorgenommen, nur bis zum

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