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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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sein, die ich zwar damals schon und, wie ich weiß, immer schon gehaßt, gleichzeitig aber wie keine zweite geliebt habe. Ich neide ja heute nur meiner Schwester, daß sie in Wien leben kann, das ist es, was mich gegen Wien fortwährend aufbringt, der Neid, was mich gegen meine Schwester zu den allergrößten Ungerechtigkeiten und letztenendes sogar Gemeinheiten hinreißen läßt, mein Neid, daß sie in Wien leben kann und noch dazu auf die, wie ich weiß, angenehmste und glücklichste Weise, nicht ich. Wenn überhaupt irgendwo, so denke ich immer, dann nur in Wien, in keiner anderen Stadt der Welt, aber ich habe mir Wien verrammelt, endgültig unmöglich gemacht. Und ich verdiene diese Stadt nicht mehr, dachte ich. Und zum allererstenmal hatte ich in Wien ein Stück von Mendelssohn Bartholdy gehört, nämlich Die wandernden Komödianten im Musikvereinssaal, ein Stück und eine Aufführung, die eine elementare Wirkung auf mich gehabt haben. Damals hatte ich noch nicht gewußt, warum dieses Stück so eindringlich gewesen war, heute weiß ich es. Wegen der genialen Unvollkommenheit. Aber es war einmal sogar die Idee in mir aufgetaucht, auf die Montanistische Hochschule in Leoben zu gehen, nicht weil ich mich vielleicht aufeinmal für die Bodenschätze interessiert hätte, sondern wegen der Lage von Leoben, das inden steiermärkischen Bergen und damals wenigstens noch wegen seiner besonders guten Luft bekannt war, die aber heute genauso verpestet ist wie überall. Denn schon als ich noch nicht zwanzig gewesen war, hatten mir die Ärzte dringend geraten, ein Landleben zu führen und kein Stadtleben, aber lieber wäre ich damals gleich auf was für eine Weise in der Stadt gestorben, als daß ich aufs Land gegangen wäre. Die Idee, in Leoben zu studieren, war ja auch nur ein einzigesmal aufgetaucht, allerdings, ich bin nach Leoben gefahren, um über die Möglichkeiten eines montanistischen Studiums mehr als ich darüber schon wußte, in Erfahrung zu bringen, aber schon gleich wie ich in Leoben aus dem Zug gestiegen bin, hatte mich der Ort abgestoßen. In einem solchen Ort kannst du nur zugrunde gehen, aber nicht einen Tag länger existieren als notwendig, hatte ich mir damals gesagt und ich hatte es ja tatsächlich nicht notwendig gehabt, auch nur einen Tag in Leoben zu sein und bin auch denselben Tag wieder nach Wien zurückgefahren, von wo aus ich Leoben in Augenschein hatte nehmen wollen. Schon als ich über dem Semmering gewesen war, hatte mich ein Gefühl der Bedrückung erfaßt, in meinem Kopf und in meinem ganzen Körper. Wie es überhaupt Leute gibt, die es in solchen Kleinstädten wie Leoben aushalten, hatte ich damals gedacht und ein paar Hunderttausende existieren schließlich allein in unserem Land widerspruchslos ihr ganzes Leben in solchen Nestern wie Leoben. Aber die Idee, eventuell ein Studium in Leoben anzugehen, war ja im Grunde nicht zuallererst von mir ausgegangen, diese Idee hatte mein Großvater mütterlicherseits gehabt, der selbst einmal die Montanistik studiert hatte, allerdings nicht in Leoben, sondern in Padua, was sicher ein immenser Unterschied ist. Und einmal hatte ich gedacht, nach England zu gehen, möglicherweise ist es Oxford oder Cambridge, hatte ich gedacht, mich mit dieser Idee gleich in eine Reihe unserer hervorragendsten Geister stellend, deren ein paar von den allerbedeutendsten ja in England und also in Oxfordund in Cambridge studiert haben und dann dort unterrichtet haben und da mir die englische Sprache keinerlei Schwierigkeiten machte, glaubte ich, auf dem Weg nach England, auf dem richtigen Weg zu sein. Aber ich hatte nicht mit dem englischen Klima, jedenfalls nicht mit jenem in Oxford und Cambridge gerechnet, das sich noch verheerender auf Krankheitsträger wie mich auswirkt und solchen Leuten von vornherein jede Anstrengung zunichte macht, gleich, in was für eine Richtung sie zu gehen hätte. Ich war nur zehn Tage in England gewesen, während ich mich von meinen Eltern auf mindestens ein halbes Jahr verabschiedet gehabt hatte und noch heute ist mir die Niedergeschlagenheit in ihrer ganzen Wucht gegenwärtig, in der ich gewesen war, wie ich schon zehn Tage nach meinem Aufbruch nach England, wieder in Peiskam war. Damals hatte ich mich wirklich lächerlich gemacht, aber schon damals war daran meine Krankheit, die schon in mir wucherte, wenn sie auch noch nicht zum Ausbruch gekommen war, schuld. Nach diesem Rückschlag, der mir natürlich nichts übriggelassen hatte als eine

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