Betongold
erzählt?«
»Nein, aber ich glaube, sie dachte, du würdest nach Berlin zurückkommen, jedenfalls hat sie manchmal davon gesprochen.«
»Und wie geht es ihr?«
»Eigentlich ganz gut. Wir hatten eine schwere Zeit, aber jetzt kommen wir gut miteinander klar. Sie arbeitet in einer Künstleragentur. Und hat einen Freund. Aber den mag ich nicht. Wird Zeit, dass ich ausziehe.«
»Und was macht die Liebe bei dir.«
»Ach Papa, frag nicht.« Eine Träne suchte den Weg über ihre Wange. Paul schluckte, er hatte einen Kloà im Hals, nahm ihre Hand und drückte sie. Das Pärchen vom Nachbartisch gaffte sie an.
»Komm, las uns gehen«, sagte er nur und stand auf. Wortlos verlieÃen sie das Lokal, nachdem er an der Kasse gezahlt hatte, und standen jetzt in eisiger Kälte, unentschlossen, was sie jetzt noch unternehmen sollten. Schweigend schlenderten sie in Richtung Potsdamer Platz.
Er steckte sich eine Zigarette an.
»Du rauchst ja immer noch Paps. Gibst du mir auch eine?«
»Wie, du rauchst?«, platzte es aus ihm heraus.
»Nur manchmal, beruhigt mich etwas.«
Er gab ihr eine Zigarette und Feuer und kam sich wie ein Verbrecher vor. Vater vergiftet sein eigenes Kind mit Lucky Strike. Irgendwie hielt sie die Zigarette auch so, dass er es nicht sah, wie sie rauchte. Drehte sich immer weg, während sie zog.
Ein Rettungswagen mit Sirene und Blaulicht raste an ihnen vorbei. Kurz darauf folgten zwei Polizeiwagen und ein weiterer Notarztwagen. Sie stoppten an einer Baustelle in der Leipziger StraÃe.
»Was machen wir mit dem angebrochenen Abend?«, fragte Paul. Er hatte die vage Hoffnung, dass sie noch gemeinsam etwas unternehmen würden, und er noch etwas mehr an Leas Leben in Berlin teilhaben könnte. Irgendwie hatte er das Gefühl seine Tochter im Stich gelassen zu haben, als sie damals nach Frankfurt gezogen waren. War er ein guter Vater? Er wusste es nicht.
»Ich wollte noch mit Mama sprechen, wegen des Umzugs«, sagte sie. »Ich habe versprochen, heute etwas früher nach Hause zu kommen.«
Schweigend liefen sie zur U-Bahn am Potsdamer Platz. Paul drückte Lea fest an sich und steckte Ihr zwei Fünfzigeuroscheine in die Manteltasche.
»Das Geld für die Kaution überweise ich dir, davon kaufst du dir etwas Schönes.«
»Papa, das sollst du nicht. Ich habe Geld, ich arbeite doch in einer Bar am Nollendorf Platz.«
»In einer Bar?. Was ist das für eine Bar? Ich dachte, das ist ein Café?«
»Ach Papa, nicht was du denkst; das ist ein Frühstückscafé und ich arbeite nur vormittags.«
Die U-Bahn rollte heran, Menschentrauben schoben sich an ihnen vorbei; das schrille Piepen kündigte das SchlieÃen der Türen an. Lea gab ihm noch einen Kuss auf die Wange und verschwand im Gewühl der Einsteigenden. Die Türen schlossen sich, er wollte ihr winken, doch sah sie nicht mehr. Die Tränen liefen an seinen Wangen herunter, er drehte sich um und drängte sich in der Anonymität der Massen nach oben.
Am Ausgang hatte er völlig die Orientierung verloren und brauchte eine ganze Weile um zu wissen, in welche Richtung er gehen sollte. Frische Luft ist jetzt das beste, was mir passieren kann, dachte er sich und schlug den vermeintlichen Weg in Richtung Hotel ein. Der Wind pfiff eisig durch die engen Gassen der neuen Bürostadt am Potsdamer Platz; er klappte den Kragen seiner Lederjacke nach oben. Eine Gruppe Jugendlicher kam ihm grölend entgegen. Der gröÃte Schreihals schwenkte eine Wodkaflasche durch die Luft.
Wenn du Ãrger haben willst, kannste haben, ging es ihm durch den Kopf, bin gerade in der richtigen Stimmung dazu und schritt geradewegs auf den Prostenden zu. Kurz vor ihm wich dieser jedoch aus, die Wodkaflasche schwirrte knapp an seinen Kopf vorbei »Nastrovje Alter« grölte der Wodkaschwenker. Wenn ich mich jetzt umdrehe, haben wir eine schöne Schlägerei. Kunkel blieb kurz stehen und überlegte, entschloss sich aber dann weiterzugehen.
» Ein Mann von starkem Geist und richtiger Selbsteinschätzung rächt sich nicht für Beleidigungen, denn sie bedeuten ihm nichts.«
Nachdem er sich dreimal verlaufen hatte, sah er in einiger Entfernung die Neonschrift seines Hotels aufleuchten. »Na endlich, das kann ich auch keinem erzählen, dass ich zehn Jahre hier gewohnt habe; dachte er; »obwohl, vor 10 Jahren gab es diesen Platz ja noch
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