Betreutes Trinken
irgendeine von uns hebt zu einem Liedchen an: »Komm hol das Lasso raus.«
Macht er nicht, der Feigling. Er sieht zu, dass er Land gewinnt. Wir schämen uns ein wenig.
»Doki, das war peinlich.«
»Ihr habt mitgesungen!«
»Du hast so eine mitreißende Art, Schatz.«
»Du bist so besoffen, Liebes.«
»Ne, ich trinke seit zwei Stunden nur noch Cola«, gibt Katja freimütig zu.
»Du Pussy«, kommentiert Linda dieses Geständnis, kurz darauf schmatzt sie und ihr fällt auf: »Ich glaube, ich auch.«
Marie kichert: »Ja, nach der ersten Runde habe ich vergessen, den Rum mit ins Glas zu tun. Entschuldigung.«
Die Chromosomenuntersuchung kann ich mir sparen. Eine echte Frau kann nicht nach einem Longdrink einen Malle-Hit anstimmen, ohne sich danach in Staub aufzulösen. Vor allem nicht, wenn der Alkoholkonsum über zwei Stunden zurücklag. Ich hatte Spaß ohne Alkohol und will sterben.
Meine sogenannten Freundinnen mutieren zu einem unterbesetzten Hyänenrudel, fordern mich zwischen Geifern und Kreischen auf, doch noch was von DJ Ötzi zum Besten zu geben.
Wie komme ich aus der Nummer wieder raus?
»Sollen wir den Laden für heute dicht machen? Ich meine, wenn jemand vom Ordnungsamt vorbeikommt und den Schutthaufen da sieht ist es ganz vorbei«, orakle ich. Dieser Ausspruch erweist sich als perfekter Stimmungsdämpfer. Katja ist dafür: »Stimmt. Ich schließ’ lieber ab. Räumen wir morgen den Dreck auf.«
Die Chefin ist dagegen: »Nein. Wenn das jemand wegräumt, dann die Jungs. Und solange sie es nicht weggeräumt und eine neue Wand gezogen haben, machen wir auch nicht wieder auf. Punkt.«
Vielleicht hätte ich doch besser von einem Stern gesungen, der deinen Namen trägt, als einen Vorschlag zur Abendgestaltung vorzubringen.
»Marie, das ist eine Schnapsidee. Ich komme morgen und helfe, klar, aber …«
Marie hat entschieden: »Hey, ich bin die Chefin. Und habe die Vollmacht. Keine von uns packt hier irgendetwas an. Die Jungs haben noch eine Chance. Ich gebe Holger Bescheid und Albert. Linda, du lässt deinen Kerl wissen, was die Stunde geschlagen hat. Doki, wenn Gunnar von seiner Landpartie zurückgekehrt ist, sag ihm Bescheid. Vladimir macht den Bauleiter. Schluss. Aus. Ende.«
Für Katja ist erst Ende, wenn sie das letzte Wort gesprochen hat: »Aber die sind dann doch nur zu viert, das schaffen die doch nie, bis … irgendwann.«
»Sie können ja bei Facebook ihre Kumpel fragen, ob die ihnen helfen«, schlage ich vor.
Linda unterstützt mich: »Hey, Mädels, Marie hat absolut recht. Wir haben alle noch Vollzeitjobs. Und wenn wir die Typen an die Arbeit kriegen wollen, dann so. Ich hab’s einmal mit Sexentzug versucht, und … egal, es ging in die Hose.«
Die Königin von Mallorca gibt ihre Krone ab, an die plötzliche Prinzessin von Kalau zu Flachwitz.
Schließlich haben wir genug gelacht und können sogar ein vierhändiges High-Five koordinieren. Statt eines größeren Festaktes und einer Eilmitteilung an Alice Schwarzer entscheiden wir uns für Schönheitsschlaf.
Marie schließt die Tür von innen, Katja will nach oben gehen: »Süße, willst du nicht bei mir schlafen? Gunnar kommt erst morgen wieder«, versuche ich sie zu einer Taxifahrt zu überreden. Sie schüttelt den Kopf: »Ne, ich werde noch ein bisschen lesen und vielleicht noch eine kleine Extramaus verfüttern. Die Weißen mag Black-Out am liebsten.«
Gegen so ein Abendprogramm kann ich nicht anstinken.
XXX
G unnar ist offenbar bei Facebook.
»Was kommt als Nächstes, Doris, tanzt ihr bei Vollmond auf dem Blocksberg? Wessen Schwachsinnsidee war das? Kam die von Katja?«, raunzt er mich durch den Hörer an.
»Ebenfalls einen wunderschönen guten Morgen«, sollte ich wünschen, aber das hat die Wogen noch nie geglättet. »Wenn du es genau wissen willst, es war Maries Idee.«
Schweigen.
»Der Befehl kam also von ganz oben, wenn du so willst«, nehme ich erneut Anlauf.
»Oh, verschone mich, Doris. Ich kann nicht mehr.«
Aufgelegt.
Er hat aufgelegt. Und jetzt ist besetzt. Mit wem telefoniert er denn, wie kann er es wagen?
Wie kann jemand … wie Gunnar sein? Eine fiese, feige Ratte, die sogar Black-Out wieder ausspucken würde. Was waren das für herrliche Jahre, in denen ich ihn nicht gesehen habe. Ich hatte wilde Affären, tolle Freunde und eine intakte Kneipe. Mir fehlte es an nichts, rein gar nichts. Erst, als der Idiot wieder in mein Leben spaziert ist, ging alles den Bach runter. Ich bin meinen Job los, Raffi ist
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