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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Krisensituation garantiert nicht in die Knie ging.
    Jetzt war diese Krise Vergangenheit. Trotzdem hatte sie, seiner Ansicht nach, das Recht auf einen Nervenzusammenbruch. War doch nur allzu menschlich.
    Er drückte sie an sich. Sein Kinn lag auf ihrem Scheitel, eine Hand streichelte ihren Rücken, die andere hielt noch immer ihren Hinterkopf. Er ließ sie weinen, bis keine Träne mehr kam, und bewegte sich erst, als er sicher sein konnte, dass sie fertig war. Dann legte er ihr seine Finger unters Kinn und hob ihr Gesicht hoch. »Besser?«

    Â»Zuerst übergebe ich mich und dann heule ich los. Ein feiner Verbündeter.«
    Â»Habe ich mich auch nur mit einem Wort beklagt?« Er lächelte, und sie lächelte zurück.
    Ihr Nacken ruhte in seiner Armbeuge, ihr Gesicht war nach hinten geneigt, ihr Hals entblößt. Nachdem er mit der Daumenkuppe eine Träne weggewischt hatte, ließ er eine Hand auf ihrer Wange liegen, während die andere zu dem nackten Stück Haut zwischen ihrem hoch geschobenen Oberteil und dem Hosenbund wanderte.
    Ihre Lippen teilten sich, sie atmete rasch ein.
    Er hätte seine Augen auch dann nicht von ihr gelassen, wenn ihm einer erzählt hätte, die Sonne sei ausgebrannt. Ohne hinzusehen, spürte er ihre Hand, die sich noch vor wenigen Augenblicken in sein Hemd gekrallt hatte. Jetzt lag sie irgendwo unterhalb seiner Gürtelschnalle und verströmte Hitze.
    Trotz seines engen Halses gelang es ihm, ihren Namen zu flüstern. »Melina…?«
    Â»Sag mal, äh, aber reg dich bloß nicht gleich wieder auf«, tönte es vom Fahrersitz. »Aber ich muss wissen, wie weit wir nach Süden sollen, bevor ich von der I-45 abfahre.«
    Sie regte sich als erste. Leider. Sie setzte sich auf und schaffte etwas Abstand zwischen ihnen, zog ihren Pullover herunter, wischte sich mit dem Handrücken über die tränenverschmierten Wangen und schob ihre Haare hinter die Ohren.
    Chief erklärte dem Fahrer, welche Ausfahrt er nehmen solle. »Richtung Osten.«
    Noch immer ließ er Melina nicht aus den Augen, die vergeblich so tat, als hätte es diesen Moment, von dem er nicht recht wusste, wie er ihn sonst nennen sollte, nicht gegeben. Ohne die Störung hätte er wahrscheinlich doch noch seinen Mund auf ihr Halsgrübchen gedrückt, wo ein Rubinanhänger ruhte.
    Nervös rutschte sie hin und her. Offensichtlich wusste sie nicht, wohin mit ihren Blicken. Als schließlich sämtliche Verlegenheitsgesten
erschöpft waren, schaute sie ihn doch an: »Wohin fahren wir?«
    Â»Du hast doch keine Angst vorm Fliegen, oder?«

29
    Bruder Gabriel war im Gebet.
    Ãœblicherweise betete er drei Mal am Tag: vor dem Frühstück, vor dem Abendessen und vor dem Schlafengehen. Heute Abend betete er überschwänglich, weil der Tag produktiv gewesen war. An diesem Nachmittag hatte er für seine Fernsehsendung eine außergewöhnlich inspirierte Predigt aufgezeichnet.
    Es ging um das Thema Leid, nicht das allumfassende Leid, wie es in der Offenbarung des Johannes beschrieben wurde, sondern die kleineren Kümmernisse, die uns jeden Tag ereilen. Er hatte seinen Jüngern die Lösung mitgeteilt, wie mit dieser nagenden Plage umzugehen war.
    Â»Gebt sie mir«, beschwor er sie mit aufrichtigster Stimme. »Legt sie auf meine Schultern.« Dann fuhr er mit der Erklärung fort, dass diese Übertragung nur bei jemandem möglich sei, der tief an ihn und seine Fähigkeit glaubte, die Lebensqualität anderer zu verbessern.
    Eigentlich fiel es ihm nicht schwer, diese Idee zu verkaufen. Er war selbst davon überzeugt.
    Er konnte Lebensumstände verbessern. Darin hatte er eine Perfektion bewiesen, die seine Jünger anstreben sollten. Den Ungeliebten schenkte er Liebe. Sein Versprechen einer neuen Weltordnung gab den Hoffnungslosen Hoffnung. Er war die Güte in Person.
    Die Güte in Person. Hmm. Eine einprägsame Phrase, die er sich merken musste.
    Im Hof unter seinem Balkon spielten die Kinder. Jeden Abend
durften sie nach dem Essen eine halbe Stunde lang tun, was sie wollten. Nur nicht fernsehen.
    In seiner Siedlung war kein Fernsehprogramm erlaubt, mit Ausnahme seiner eigenen Sendungen. Ebenso gab es nur von ihm persönlich gebilligte Zeitungen, Radiosendungen und Bücher. Er wünschte, dass nichts den Sinn derjenigen vergiftete, die würdig genug zum Leben im Tempel und zur direkten Mitarbeit an seiner

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