Betrogen
wollte aus der Fahrerkabine des Pick-ups springen. Eines könnte sie allerdings: ihn einfach ignorieren. Er befürchtete schon, sie hätte sich dafür entschieden, so lange lieà sie sich mit ihrer Antwort Zeit.
SchlieÃlich sagte sie: »Chief, das hätte nicht passieren dürfen.«
»Ist es aber. Also, lass uns darüber reden.«
»Warum vergessen wirâs nicht einfach?«
»Weil es wie eine Riesenwarze auf einer Nasenspitze ist. Am liebsten möchte man sie ignorieren und so tun, als sei sie nicht
da. Man weià sogar, dass man genau das tun sollte. Aber das ist unmöglich. Sie ist da, und man sieht sie.«
»Und du wirfst uns Frauen vor, dass wir immer alles ausdiskutieren möchten«, stieà sie hervor, wobei sie den Kopf abwandte und zum Seitenfenster hinaussah.
»Melina, du hast geweint. Und ich wüsste gerne, warum.«
»Weil es eine schlechte Idee war.«
»Für eine schlechte Idee hat sichâs aber schrecklich gut angefühlt.«
Nach einem kurzen Blick zu ihm konzentrierte sie sich wieder auf den Horizont. »Ich habe nie behauptet, es hätte sich nicht gut angefühlt.«
»Also sind wir darin einer Meinung. Was meine erste Frage nur noch relevanter macht. Warum hast du geweint?«
Minuten vergingen. Wieder dachte er, sie wolle ihn absichtlich ignorieren, aber dann sagte sie doch etwas. Sie hätte alles Mögliche sagen können, doch den nächsten Satz hätte er nie und nimmer erwartet. »Gillian hat mir erzählt, du hättest sie erst geküsst, nachdem ihr miteinander geschlafen habt.«
Verblüfft wandte er ihr den Kopf zu. »Was?«
Inzwischen schaute sie ihn an. »Sie sagte, du meintest, das wäre, als ob man sich das Beste bis zum Schluss aufhebt. War das nur so dahergesagt?«
Mit einem unbehaglichen Gefühl schaute er wieder auf die StraÃe.
»Du hast mich nicht geküsst«, fuhr sie fort, »jedenfalls nicht auf die Lippen. Nicht ein Mal.«
»Das hat doch nichts zu bedeuten.«
»Nicht, wenn duâs getan hättest. Auffallend ist meiner Ansicht nach nur, dass duâs nicht getan hast. Besonders im Hinblick auf das, was du zu Gillian gesagt hast.«
Sie hatte einen wunden Punkt getroffen. Aus reiner Selbstverteidigung ging er zum Angriff über. »WeiÃt du, meiner Ansicht nach ist es ganz schön krank, wie ihr beide bis ins intimste Detail über unser Liebesleben gesprochen habt.«
»Ist vermutlich genauso bedenklich, wie eine Frau als Ersatz für eine andere zu benutzen.«
»Darum ging es mir aber nicht.«
»Nein?«
»Nein.« Er warf ihr einen wütenden Blick zu, der seiner lauter werdenden Stimme entsprach. »Schon möglich, dass ich dich danach nicht geküsst habe, wenn wir schon mal das Beste bis zum Schluss aufheben wollen. Denn danach hast du geweint! Hast du schon mal daran gedacht? Vielleicht habe ich dich aber auch nur deshalb nicht auf den Mund geküsst, weil ich anderweitig beschäftigt war.«
»Anderweitig ja, aber mit mir hatte das nichts zu tun.«
»Ich hätte nicht mit dir geschlafen, wenn ich nicht gewollt hätte.«
»Oh ja, gewollt hast du schon«, sagte sie mit einem leisen, aber freudlosen Lachen, »das habe ich gesehen. Und gespürt. Rein biologisch warst du hundertprozentig dabei. Aber emotional warst du bei Gillian.«
Er biss die Zähne zusammen. Was hätte er sagen sollen? Hätte er gesagt, du hast Recht , hätte das ihren Stolz verletzt. Hätte er gesagt, du irrst dich , hätte er es sich zu einfach gemacht. Und wenn er gesagt hätte, Zum Kuckuck, Melina, ich weià es nicht , dann hätte er die absolute Wahrheit gesagt. Ironischerweise würde sie genau diese Wahrheit am wenigsten glauben.
Hätte sie mehr Verständnis, wenn er ihr erklärte, dass es ihm bis vor wenigen Stunden gelungen war, sie und Gillian getrennt zu halten? Inzwischen hatte er mit ihr geschlafen, sie gespürt und geschmeckt, hatte jede ihrer Bewegungen erlebt und gehört, wie sie stöhnte. Und nun verschwammen diese Unterschiede zusehends.
Sein Kopf und sein Körper spielten ihnen allen einen verdammt üblen, unfairen Streich. Erstens Melina, die er mögen und respektieren gelernt hatte. Zweitens Gillian, zu der er sich zuerst hingezogen gefühlt und die sich unauslöschlich in seine
Erinnerung eingeprägt hatte. Und zu guter Letzt ihm selbst, der er
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