Betrogen
Anhänger.«
Melina streichelte das Rubinherz an ihrem Hals und sagte dabei: »Ich habâs eben erst wieder angelegt.«
»Ich dachte, du hättest es mit deiner Handtasche weggeworfen.«
»Wir haben es doch überprüft«, erinnerte sie ihn. »AuÃerdem möchte ich mich nicht davon trennen. Wahrscheinlich ist es das Letzte, was sie in jener Nacht vor dem Schlafengehen berührt hat.«
Seine Bedenkzeit währte nur einen Sekundenbruchteil, dann streckte er die Hand aus. »Melina, lass es uns näher anschauen. Hier ist das Licht besser als im Flugzeug.«
Sie zögerte nur einen winzigen Augenblick, dann entledigte sie sich des Anhängers und gab ihn ihm. Er lieà den Glücksbringer knapp vor seinem Gesicht baumeln und hielt ihn so, dass das Licht durch die transparenten Steine scheinen konnte. Erst jetzt bemerkte er einen dunklen, kaum sichtbaren Punkt oben an der Vertiefung, direkt neben der Goldfassung. Selbst bei genauerem Hinsehen, wie jetzt, konnte man ihn für einen Einschuss in dem kleinen Stein oder eine raue Stelle an der Fassung halten. »Haben Sie einen Eispickel?«, fragte er Longtree.
Binnen Sekunden klopfte er mit dem Werkzeug auf dem Fleck herum. Longtree und Melina schauten ihm gespannt über die Schulter zu. Wider aller Erwarten sprang binnen kurzem
ein kleiner Chip heraus und landete auf der Wachstuchdecke. Er hatte die Farbe einer Bleistiftmine und war kleiner als ein Stecknadelkopf. Chief hämmerte mehrmals mit der scharfen Spitze des Eispickels darauf herum. »Hennings Liebesgabe ist gar nicht so reizend, nicht wahr?«
Melina war empört. »Dieser Mistkerl. Schade, dass er tot ist.«
Chief erklärte Longtree die Funktion eines GPS-Systems. »Die Technologie ist sogar schon weiter, als ich weiÃ. Ich bin überzeugt, dass ein derart winziger Sender noch nicht für den allgemeinen Gebrauch zugelassen ist. Zu so etwas können nur Kriminelle Zugang haben.«
»Oh mein Gott«, rief Melina aus, »dann haben wir sie also direkt hierher geführt. Es tut mir so Leid, Häuptling Longtree. Wir haben Ihr Entgegenkommen dadurch belohnt, dass wir Sie in Gefahr bringen.«
»Machen Sie sich meinetwegen keine Sorgen.«
»Sie hat Recht«, erklärte ihm Chief ernst, »das sind üble Typen. Erst gestern haben sie zwei Menschen umgebracht. Sie werden von jemandem bezahlt, vermutlich von Bruder Gabriel, und sind auÃerdem echte Profis.«
»Euch ist es gelungen, Ihnen zu entkommen.«
»Um Haaresbreite. Von hier kam das letzte Signal, auch wenn wir den Sender nun zerstört haben. Sie werden versuchen, unsere Spur hier wieder aufzunehmen. Können Sie sich für ein paar Tage irgendwohin zurückziehen und abwarten?«
Ihr Gastgeber lächelte. »Seit dreihundert Jahren werden die Indianer Amerikas von ihrem Land vertrieben. Ich könnte mich nicht mehr im Spiegel anschauen, wenn ich mich von zwei Schlägertypen von meinem Platz vertreiben lieÃe. Ich kann für mich selbst sorgen.«
Nach diesen Sätzen ging er zu einer Kommode und holte eine Pistole heraus. »Nehmt sie mit.«
»Die brauchen Sie vielleicht mehr als wir.«
»Ich bestehe darauf.« Er übergab Chief die Pistole mit einer Schachtel Munition. »Wissen Sie, wie man sie lädt?«
Eigentlich wollte Chief die Annahme verweigern. Doch er musste sich lediglich Hennings Schicksal ins Gedächtnis rufen, und so bat er Longtree, den Revolver für ihn zu laden. »Zur Vorsicht werde ich die erste Kammer leer lassen«, meinte er. »Zum SchieÃen müssen Sie dann zwei Mal abdrücken.«
»Ich kann nicht einfach weggehen und Sie hier ohne Waffe und Fahrzeug zurücklassen«, erklärte ihm Melina.
»Ich habe keine Angst. Mein Schicksal liegt nicht in der Hand von Killern.« Der letzte Satz schien Longtree sichtlich zu amüsieren. Er winkte Richtung Tür. »Wenn ihr noch vor Einbruch der Dunkelheit nach Lamesa kommen wollt, müsst ihr euch jetzt beeilen. Hinter den Bergen geht die Sonne rasch unter.«
An der Tür ergriff Chief Longtrees Hand. Sie schauten einander unverwandt an. Tiefes Einvernehmen machte Worte überflüssig.
35
»Melina, wenn ich mit einer Frau schlafe, muss sie normalerweise nicht weinen.«
Anders als in Longtrees Haus konnte sie ihm nun nicht einfach den Rücken zudrehen und aus dem Zimmer gehen. Es gab keinen Fluchtweg, auÃer sie
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