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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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hätte er es beinahe aus dem Metallhefter gerissen. Beim ersten Mal überlas er die Notiz, ging wieder zurück, hielt an und las. Noch einmal.
    Er warf sich gegen das Kopfteil und starrte blindlings auf den Bildschirm. Carla machte gerade eine bissige Bemerkung zu Diane, ohne dass Tobias sie wahrgenommen hätte. Systematisch integrierte er diese winzige Tatsache mit ihren dramatischen Auswirkungen, die bisher durch scheinbar wichtigere Informationen verdeckt worden war.
    Als sein Gehirn endlich die darin enthaltene Bedeutung geknackt hatte, schoss er aus dem Bett, riss die Tür auf und raste zu Lawsons Zimmer.

38
    Ab einem gewissen Punkt wurde die Straße so steil, dass sie sich nur noch in Haarnadelkurven den Berg hinaufschlängelte. Vorsichtig nahm sie jede der dunklen, schmalen Wendungen. Vor Nervosität hatte sie schweißnasse Hände, die ständig vom
Lenkrad rutschten, und das machte die Fahrt noch gefährlicher.
    Gott sei Dank hatte Chief die Wagenschlüssel in seiner Jackentasche gelassen, die sie bei ihrem hastigen Abgang vom Haken gerissen hatte. Beim Gedanken, wie sehr sie ihn verletzt haben musste, wurde ihr fast schlecht. Noch immer spürte sie, mit welcher Wucht der Briefbeschwerer gegen sein Jochbein geknallt war, spürte, wie seine Haut aufplatzte.
    Und doch wusste sie eines ganz genau: Dieser Schlag hatte ihn weniger geschmerzt als die Tatsache, dass sie ihn ausgetrickst hatte. Dafür gab es nur eine einzige Rechtfertigung: Es diente seinem Schutz. Sie hatte keine Ahnung, wie diese Nacht enden würde, stellte sich aber auf das Schlimmste ein. Die Lloyd-Zwillinge hatten Christopher genug geschädigt. Für noch mehr wollte sie keine Verantwortung übernehmen.
    Sie stieß wider Erwarten früh auf das Eingangstor, aber auch das hatte vermutlich sein Gutes. Wenn sie es schon früher gesehen und mehr Zeit zum Nachdenken gehabt hätte, hätte sie vielleicht trotz ihres Vorsatzes gekniffen.
    So aber musste sie unmittelbar hinter einer Kurve scharf bremsen, sonst wäre sie mitten in das von Flutlichtern angestrahlte Tor geknallt. Drinnen im Pförtnerhaus sah sie einen Mann in einer dunkelblauen Uniform, auf dessen Brusttasche das goldene Signet von Bruder Gabriels Kirche prangte. Er trat heraus und näherte sich dem Pick-up. Sie kurbelte das Fenster herunter.
    Â»Friede und Liebe«, sagte er.
    Angesichts seiner Waffe und des Stacheldrahts auf Tor und Zaun klang dieser Gruß idiotisch. Doch diese Ironie schien ihm zu entgehen. »Kann ich Ihnen helfen, Ma’am?«
    Â»Ich würde gerne Bruder Gabriel sprechen.«
    Er lächelte nachsichtig. Offensichtlich war es nicht ungewöhnlich, dass eine Verehrerin eintraf und unangemeldet um Audienz bei dem Heiligen Mann bat.

    Â»Bruder Gabriel hat sich schon für die Nacht zurückgezogen. Sie können eine Botschaft von ihm hören, wenn Sie 1-800 –«
    Â»Sagen Sie ihm, Melina Lloyd möchte ihn sprechen.«
    Â»Tut mir Leid, Ma’am, aber –«
    Â»Wenn Sie nicht sofort anrufen und ihm mitteilen, dass ich hier bin, werden Sie morgen arbeitslos sein, denn das wäre eine schreckliche Fehleinschätzung, die Sie Ihre Position in der neuen Weltordnung kosten würde. Ich an Ihrer Stelle würde lieber riskieren, ihn zu stören, als meinen Platz im Leben nach dem Tode aufs Spiel zu setzen.«
    Sein überhebliches Lächeln schwand ein wenig. Er zog sich ins Pförtnerhäuschen zurück, und sie sah, wie er einen Telefonhörer nahm und hineinsprach. Während er wartete, ließ er sie nicht aus den Augen. Schließlich nahm er ruckartig Hab-Acht-Stellung ein, sagte noch einmal etwas in den Hörer, nickte heftig und hängte auf.
    Steif und gebieterisch verkündete er: »Den Pick-up müssen Sie hier stehen lassen.«
    Hatte Bruder Gabriel Angst vor Autobomben? Wenn er schlau wäre, schon, insbesondere wenn bekannt wurde, dass er gynäkologische Kliniken sabotierte, indem er sein Sperma an Stelle des geplanten Spendersamens einsetzen ließ.
    Zu diesem Schluss war sie auf der Fahrt von Longtrees Grundstück nach Lamesa gekommen. Über hundertfünfzig Kilometer hatte sie Zeit zum Nachdenken gehabt, und dies war die einzig logische Schlussfolgerung, auch wenn einem dabei übel wurde.
    Angenommen, Bruder Gabriel wollte eine »neue Weltordnung« erschaffen. Dann hatte er sicher nicht im Sinn, körperlich unattraktive, emotional

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