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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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sehnlichst, die Zeit bis zu einem Punkt zurückdrehen zu können, an dem ein vermasselter Termin, eine Laufmasche oder ein abgebrochener Fingernagel die Katastrophe des Tages gewesen war. Wenn es doch nur wieder gestern wäre, oder gestern Abend, oder noch vor einer Stunde, als sie friedlich geschlafen und noch nichts von der Tragödie geahnt hatte, in der sie nun gefangen war.
    Schon wieder flüchtete sie sich in frommes Wunschdenken. Alles war leider nur allzu real. Den Beweis bekam sie, als sie um die Ecke in die Häuserzeile einbogen, in der ein Mord stattgefunden hatte. Auf der Straße parkten kreuz und quer mehrere Unfallwagen und Polizeifahrzeuge. Rings um das Haus mit den hübschen weißen Fensterläden und der schwarz glänzenden Tür war das Gelände mit gelbem Polizeiband abgesperrt. Männer und Frauen in Uniform gingen unterschiedlichen Arbeiten nach oder standen herum und versuchten, ein wichtiges Gesicht zu machen. Links und rechts auf den Gehwegen
hatten sich kleine Gruppen von Nachbarn versammelt. Einige wurden bereits polizeilich verhört.
    Â»Bisher kein Zeuge darunter«, teilte ihr Lewis mit, als er sah, wohin sie schaute.
    Wegen der verstopften Straße kam der Einsatzwagen nur im Kriechtempo voran. Schließlich musste Caltrane gänzlich anhalten. »Können Sie denn nicht Ihre Sirene oder sonst etwas einschalten?«, fragte sie ungeduldig.
    Â»Tut mir Leid, Ms. Lloyd, aber der Schauplatz eines Verbrechens zieht immer eine Menge Leute an.«
    Als direkt vor ihnen ein Kind auf einem Fahrrad herausschoss und sich aufs Hinterrad stellte, war ihre Geduld zu Ende. »Ach, um Himmels willen«, schrie sie, »lassen Sie mich hier raus.«
    Lewis musste gespürt haben, dass sie die Kontrolle zu verlieren drohte, denn er wies Caltrane an, so dicht wie möglich an die Parkbucht heranzufahren. Kaum war er draußen und zog die hintere Türe auf, drückte sie sich auch schon an ihm vorbei und legte im Laufschritt die restlichen Meter zum Haus zurück, ohne auf die neugierigen Blicke der Gaffenden zu achten.
    Als sie unter dem Absperrband verschwand, stürzten mehrere Beamte auf sie zu und forderten sie lautstark zum Stehenbleiben auf. Ohne Rücksicht schoss sie über den Rasen. Es gelang ihr tatsächlich, durch den Eingang bis zur Diele vorzudringen, wo sie drei Beamte packten und am weiteren Vordringen hinderten.
    Â»Ich muss sie sehen – Lassen Sie mich los!«
    Schnaufend kam Lewis hereingerannt. »Das ist die Schwester des Opfers.«
    Â»Zwillingsschwester!«, korrigierte sie ihn mit einem Ausruf, der sogar in ihren eigenen Ohren wie der Aufschrei einer Irren klang. »Ich will sie sehen. Bitte, lassen Sie mich rein. Ich muss sie sehen.«
    Â»Ehrlich gesagt, Ms. Lloyd, das möchten Sie nicht wirklich.
Jedenfalls nicht jetzt.« Ein Zivilbeamter trat dazu und zückte seine Dienstmarke. »Senior Corporal Lawson, Mordkommission.«
    Â»Lassen Sie mich durch. Bitte.«
    Â»Ms. Lloyd, Sie möchten sich vergewissern, dass sie tot ist. Das verstehe ich ja. Wirklich. Glauben Sie mir.«
    Â»Dann lassen Sie mich durch.«
    Obwohl er entschieden den Kopf schüttelte, blieb sein Ton gelassen. »Die Experten sammeln gerade Beweismaterial. Je weniger Menschen dort drinnen sind«, sagte er, wobei er mit einer knappen Kopfbewegung auf das Schlafzimmer unten im Flur wies, »umso weniger wird der Schauplatz kontaminiert. Damit steigt auch unsere Chance, dass wir Hinweise finden, die uns zu einem Verdächtigen führen werden. Sie wollen wissen, wer Gillian umgebracht hat, nicht wahr? Und Sie wollen den Grund dafür wissen, richtig?«
    Die Technik des Kommissars stand wortwörtlich in jedem gängigen Psychologiebuch. Offensichtlich hatte er Erfahrung im Umgang mit hysterischen Verwandten von Mordopfern. Jedenfalls wirkte sein gelassenes Verhalten auf sie beruhigend. Sie wehrte sich nicht mehr gegen die Beamten, die sie zurückhielten.
    Lawsons Augen hielten sie mit der Kraft eines Hypnotiseurs fest. Zu keinem anderen Zeitpunkt hätte dieser Mann eine derartige Kontrolle über sie ausüben können, und doch machte sich in ihren ruhigeren Gehirnregionen durchaus der Wunsch breit, irgendjemand möge die Kontrolle übernehmen. Jemand sollte wenigstens annähernd wieder Ordnung in ein Leben bringen, das urplötzlich und ohne Vorwarnung in ein rabenschwarzes Chaos geschleudert worden

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