Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
gemeint, den Basti gerade rückwärts aus einer Garage neben Jannis Bootswerft rollen lässt. Er lehnt sich nach rechts und öffnet von innen die knackende Beifahrertür.
»Steig ein. Wir müssen noch vor zum Dampfer.«
Ich muss meinen Rock bis ganz noch oben schieben, um den Ausfallschritt zum Einstiegsbrett hinzubekommen, und lande mit einem Plumps auf dem braunen Plastikpolster.
»Warum?«
»Die Lechnerin abholen.«
»Die Anneliese? Wieso das denn?«
»Weil die natürlich mitkommen will.«
Bevor ich noch antworten kann, ist Basti schon ausgestiegen und kommt der alten Dame entgegen, die mit einer gigantischen Handtasche bewaffnet den Landungssteg der Chiemseeschifffahrt heruntertrippelt.
»Morgen! Ich kann mit meine Hüften einfach nimmer in der Plätten fahren«, begrüßt sie mich, nachdem Basti sie mit einem schwungvollen Lupfer vom Boden hochgehoben und neben mich gesetzt hat. Ich schubse die herumkullernden Wasserflaschen wieder unter den Sitz und versuche mich so gut wie möglich in der Mitte einzurichten, während Basti die Tür zuknallt, die Hände auf das Lenkrad legt und den Laster dorfauswärts lenkt.
»Kannst du bitte die Heizung anmachen?«, frage ich, als er anhält, um die Autos an der Hauptstraße vorbeizulassen, und ziehe meine durchweichten Schuhe aus, die gegen den Matsch am Uferweg keine Chance hatten. Und bevor er noch etwas sagen kann, beteure ich: »Brauchst gar nicht so zu schauen. Ich hab mich dem Wetter angepasst und Stiefel angezogen.«
Obwohl rechts und links kein Auto kommt, biegt Basti nicht ab, sondern haut die Handbremse rein, reißt mir das knöchelhohe Lederstiefelchen mit dem goldenen Reißverschluss an der Ferse aus der Hand und schüttelt ihn wütend: »Das ist kein Stiefel, das ist eine Zumutung!«
»Ist ja gut, spinnst du jetzt?«, meine ich erschrocken und drücke den Hinterkopf an das Sitzpolster, um zu verhindern, dass mir der wütende Schmied mit dem mörderischen Absatz ein Auge aussticht. »Ich kann schlecht mit Holzschlappen bei einem Nymphenburger Vermögensverwalter einlaufen, es reicht schon, dass die Anneliese mitkommt!«
Basti hat meinen unschuldigen Schuh in der einen, die Fensterkurbel in der anderen Hand und spielt offensichtlich mit dem Gedanken, meinen Designertreter aus dem Fenster zu werfen. Ich frage mich, was ihm über die antialkoholische Leber gelaufen ist – seit ich mich bei Tante Caro in mein Stadt-outfit geschmissen habe, ist er wieder so wie am ersten Abend. Eine wandelnde Gewitterwolke.
»Kann ich jetzt meinen Schuh wiederhaben?«, frage ich spitz, und Basti zuckt zusammen und wirft ihn mir wortlos auf den Schoß und fährt endlich nach links um die Kurve, haarscharf vor dem roten Linienbus, der gerade Richtung Gollenshausen unterwegs ist.
»Gegrüßest seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir …«
Heimlich, still und leise hat die Lechner-Oma sich einen Rosenkranz um die gichtigen Finger geschlungen, und sie betet, bis wir beim hundertfünfzigsten Ave Maria die Leopoldstraße erreichen. Basti biegt vor dem Siegestor illegal links ab, bleibt auf der breiten Kopfsteinpflasterstraße stehen und macht nach eineinhalb Stunden Fahrt das erste Mal wieder den Mund auf.
»Hier müsst ihr mich in zwei Stunden wieder abholen.«
»Abholen? Was machst du denn hier?«, frage ich verblüfft, bekomme aber keine Antwort. In München ist das Wetter sogar noch schlechter als am Chiemsee, und durch den Schneeregen sehe ich ihm zu, wie er auf das große Gebäude zustapft, wie immer in seinen Holzschuhen mit den filzigen Socken drin.
»Was will er denn in der Kunstakademie?«
»Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesu«, leiert die Lechner-Oma und ergänzt: »Vielleicht muss er was richten? Am Rathaus hat sein Bappa die Wasserspeier gemacht, vielleicht macht der Basti ja an der Uni die Dachrinnen.«
»Ja, vielleicht«, meine ich, rutsche auf den Fahrersitz und würge beim Anfahren den Motor ab, weil sich mein spitzer Absatz in der Fußmatte verhakt und die Kupplung vom alten Pick-up schwerer kommt als alles, was ich bisher unter dem linken Fuß hatte. Die Lechner-Oma schaut mich stumm von der Seite an, und während ich überlege, ob ich nach Nymphenburg besser rechts oder links abbiege, nimmt sie die nächste Rosenkranzperle zwischen Daumen und Zeigefinger.
Die Abwesenheit einer Strategie wird mir spätestens dann schmerzhaft bewusst, als ich in die Südliche Auffahrtsallee
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