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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Blick gesenkt hatte, vor Turner, der stöhnend und blutend auf dem Boden saß, und vor Holly mit dem giftigen Mundwerk, die keine fünfzig Kilogramm wog.
    »Halt endlich den Mund!« sagte Jordan zu ihr. »Campbell, du bleibst bei Turner, bis der Krankenwagen kommt. Jenkins, du und Holly, ihr fangt damit an, diesen Misthaufen hier aufzuräumen. Holt euch jemanden von Halle sechs, damit dafür gesorgt ist, daß die Anlieferung der Teile zu den Fließbändern nicht unterbrochen wird. Nach fünfzehn Uhr meldet ihr beide euch bei Hawke in seinem Büro. Joey, du fährst mit Campbell und Turner im Krankenwagen mit.«
    »Neiiin!« wimmerte Joey. Er packte Jordan am Arm. Draußen war das Folgetonhorn der Ambulanz zu hören.
    Wie reagierten die Sanitäter auf Schlaflose?
    »Na gut, Joey!« unterbrach Jordan ihn barsch. »Na gut! Ich sage ihnen, sie sollen dich hier verarzten.«
    Joeys Wunden waren alle harmlos; die Sache sah blutiger aus, als sie letzten Endes war. Als die Sanitäter mit ihm fertig waren, nahm Jordan Joey mit nach draußen, ging mit ihm an der Haupthalle entlang und führte ihn durch die Seitentür in sein Büro, während er sich unausgesetzt fragte: Joey – ein Schlafloser? Der unzurechnungsfähige, schmutzige, verängstigte, schwachsinnige, auf andere angewiesene Joey – ein Schlafloser?
    Die schallisolierte Tür ließ kein Geräusch von draußen herein. »Und jetzt sag mir eins, Joey. Wie bist du in diese Fabrik reingekommen?«
    »Zu Fuß.«
    »Ich meine, wieso? Wieso kamst du ausgerechnet in eine Wir schlafen! -Fabrik?«
    »Weiß nicht.«
    »Hat dir jemand aufgetragen, hierherzukommen?«
    »Mister Hawke… Mister Watrous, sagen Sie Mister Hawke nichts davon! Bitte, bitte, bitte, sagen Sie Mister Hawke nichts!«
    »Hab keine Angst, Joey. Hör mir bloß zu. Wo hast du gewohnt, bevor Mister Hawke dich hierhergebracht hat?«
    »Weiß nicht.«
    »Aber du…«
    »Weiß nicht!«
    Sanftmütig und geduldig setzte Jordan ihm zu, aber Joey wußte es wirklich nicht. Nicht, wo er geboren war, nicht, was es mit seinen Eltern auf sich hatte, nicht, wie alt er war. Alles, woran er sich zu erinnern schien, was er beharrlich wiederholte, war, daß Mrs. Cheever ihm gesagt hatte, nie jemandem zu verraten, daß er ein Schlafloser war, sonst würden die Leute ihm weh tun. Nachts sollte er sich ein Plätzchen für sich allein suchen und sich hinlegen. Und das tat Joey auch brav, weil Mrs. Cheever ihm das aufgetragen hatte. Er konnte sich nicht erinnern, wer Mrs. Cheever war oder weshalb sie ihn gut behandelt hatte oder was mit ihr geschehen war.
    »Joey«, sagte Jordan, »hast du…?«
    »Sagen sie Mister Hawke nichts davon!«
    Mayleens Gesicht erschien auf dem ComLink. »Jordan, Mister Hawke ist grade eingetroffen. Holly Newman hat mir erzählt, was vorgefallen ist.« Neugierig starrten ihre Augen aus dem Bildschirm auf Joey. »Der ist ‘n Schlafloser?«
    »Fang du nicht auch noch an, Mayleen!«
    »Scheiße, ich hab doch bloß…«
    Eine Woge aus Lärm trug Hawke in den Raum. Augenblicklich wurde das Büro zu dem seinen; er erfüllte es mit seiner persönlichen Erscheinung. Fast ebenso hochgewachsen wie Joey, jedoch um so vieles autoritärer war Hawkes Gegenwart, daß Jordan, der dachte, daran gewöhnt zu sein, wieder einmal das Gefühl hatte, in Bedeutungslosigkeit zu versinken.
    »Campbell hat mir erzählt, was passiert ist. Joey ist ein Schlafloser?«
    »Uuuunnnhhh«, stöhnte Joey. Er vergrub das Gesicht in den Händen. Seine Finger sahen aus wie blutverschmierte Bananen.
    Jordan rechnete damit, daß Hawke seinen Fehler sofort bemerken und korrigieren würde. Hawke konnte gut umgehen mit den Leuten. Doch statt dessen fuhr er fort, Joey schweigend anzustarren; er lächelte leicht – nicht amüsiert, sondern merkwürdig erfreut und zufrieden, als hätte Joey plötzlich etwas an sich, das ihn froh machte, und es gäbe keinen Grund, das zu verbergen.
    »Mister Hawke, m-m-muß i-i-ich…«, in seiner Seelenqual verfiel der Riese ins Stottern, »… j-j-jetzt w-w-w-weg?«
    »Aber nein, natürlich nicht, Joey«, sagte Hawke. »Du kannst hier bei uns bleiben, wenn du willst.«
    Auf geradezu groteske Weise kämpfte sich Hoffnung in Joeys Gesichtszüge. »Auch w-w-wenn ich n-n-nie sch-schlafe?«
    »Auch wenn du einer von den Schlaflosen bist«, nickte Hawke salbungsvoll. Er lächelte immer noch. »Wir können dich hier gut brauchen.«
    Joey stolperte auf Hawke zu und fiel auf die Knie. Er warf ihm die Arme um die Mitte, vergrub

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