Bettler 01 - Bettler in Spanien
herein. Auf dem Bildschirm am Nordende der Halle nahm eine Luftaufnahme von Sanctuary Form an, von einer Wildnis, welche die HighTech-Kuppeln von Salamanca umgab. »Militärische Sandkastenspieler beschäftigen sich bereits seit geraumer Zeit mit dem Ersinnen hypothetischer Angriffe auf dieses angeblich uneinnehmbare… « Rat-a-tat-tat. »Halooo-ooogin’ with my Baaaby…« Jordan ging durch die Seitentür ins Freie. Er sah keine Möglichkeit, Joey aus der Fabrik wegzubringen; Joey wog um achtzig Kilogramm mehr als Jordan, und niemand konnte Joey überreden – niemand außer Hawke. Und doch konnte Jordan ihn nicht einfach hier lassen! Wie sollte er es anstellen…?
Im Wächterhaus am Tor lehnte Joeys massiger Körper zusammengesunken an der einzigen Wand, die nicht aus transparentem Plastik bestand. Mayleen schaltete gerade das ComLink zu Hawkes Büro ab; sie mußte die ganze Diskussion zwischen Jordan und seinem Boss verfolgt haben. Jetzt wich sie Jordans Blicken aus und starrte hinunter auf den bewußtlosen Joey.
»Hab ihm ein wenig Tee eingeflößt. Rezept stammt von meiner Urgroßmutter.«
»Tee…!«
»Wir Flußratten wissen eine Menge, von dem ihr Bürschchen aus Kalifornien keine Ahnung habt«, sagte Mayleen müde. »Hol ihn raus da, Jordan. Ich hab schon Campbell angerufen. Er hilft dir, Joey in den Wagen zu verfrachten, falls Mister Hawke ihm nicht vorher was anderes anordnet. Also mach flott.«
»Warum, Mayleen? Warum hilfst du einem Schlaflosen?«
Mayleen hob die Schultern. »Ach was, sieh ihn dir doch an!« sprudelte sie plötzlich mit leidenschaftlicher Stimme hervor. »Nich’ mal die dreckigen Windeln von meinem Kleinsten stinken so! Glaubst du, ich muß so was da bekämpfen, um im Leben irgendwas zu erreichen? Der steht mir nich’ im Weg, auch wenn er nicht schläft oder ißt oder meinetwegen atmet.« Ihr Tonfall veränderte sich wieder. »Armer Kerl.«
Jordan brachte seinen Wagen ans Einfahrtstor. Er, Mayleen und der nichtsahnende Campbell wuchteten Joey auf den Rücksitz. Bevor er wegfuhr, steckte Jordan den Kopf aus dem Seitenfenster. »Mayleen?«
»Was ist?« Sie hatte die Stacheln wieder aufgestellt. Von der anstrengenden Schlepperei war ihr farbloses Haar völlig in Unordnung geraten und hing ihr nun in Strähnen ins Gesicht.
»Komm mit. Du glaubst doch auch nicht mehr, daß das hier der richtige Weg ist.«
Mayleens Gesichtszüge wurden unzugänglich. Hitze wurde zu Eis. »Nein.«
»Aber du siehst doch ein, daß…«
»Auf mehr als das hier kann ich nicht hoffen, Jordan. Das. Hier.«
Sie ging ins Wächterhaus und beugte sich über die Überwachungsgeräte. Jordan fuhr davon.
Sein gefangener, geretteter Schlafloser füllte die Rücksitze komplett aus. Jordan warf keinen einzigen Blick zurück auf die Wir schlafen! -Fabrik. Diesmal nicht. Diesmal gab es kein Zurück.
14
In der dritten Prozeßwoche, als Richard Keller gegen seine Frau aussagte, wurde die Aktivität in der Presseloge zur Hektik. Die Finger der Holokünstler flogen nur so; die Adamsäpfel der männlichen Farbreporter waren pausenlos in heftiger, lautloser Bewegung, während sie ihre stimmlosen Notizen vor sich hinflüsterten. Auf einigen Gesichtern sah Leisha das grausame kleine Lächeln grausamer kleiner Menschen beim Anblick von fremdem Schmerz.
Richard trug eine dunkle Jacke über einem schwarzen Stretchanzug. Leisha entsann sich all der hellen Farben, die er zu Postern und zu Fenstern programmiert hatte, wo immer er gewohnt hatte. Meeresfarben, für gewöhnlich: Grün, Blau, die vielschichtigen Grau- und Weißtöne der Schaumkronen. Richard saß zusammengesunken im Zeugenstand, die Hände flach auf die Knie gelegt, den Lichtschein der Saalbeleuchtung kalt auf seinem angespannten, breitflächigen Gesicht. Seine Nägel, sah Leisha, waren ungepflegt und nicht ganz sauber. Richard, mit seiner Leidenschaft für das Meer…
»Wann wurde Ihnen zum erstenmal bewußt, daß Ihre Frau Doktor Walcotts Patente gestohlen und im Namen von Sanctuary angemeldet hat?«
Sofort war Sandaleros auf den Füßen. »Einspruch! Es gibt keinerlei – keinerlei – Beweise dafür, daß Patente gestohlen wurden oder von wem!«
»Stattgegeben«, sagte der Richter. Er bedachte Hossack mit einem harten Blick. »Sie müßten es doch besser wissen, Mister Hossack.«
»Mister Keller, wann erfuhren Sie von Ihrer Frau, daß Sanctuary auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhende Methoden zur Verwandlung von Schläfern in Schlaflose
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