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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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kreischte die Frau. Sie versuchte, mit der Schuhspitze nach dem gefällten Riesen zu treten. Der Sicherheitsmann riß sie zurück. Die riesenhafte Gestalt auf dem Boden regte sich.
    »Joey ein Schlafloser?« sagte Jordan. Er stellte sich quer über den stöhnenden Mann und drehte ihn herum; es war, als wollte er einen gestrandeten Wal wenden. Joey – er hatte keinen anderen Namen – wog hundertsechzig Kilogramm und war ein Meter achtundneunzig groß; Hawke ließ den geistig behinderten Mann mit der enormen Kraft in der Fabrik wohnen, arbeiten und essen. Joey schleppte Kisten und verrichtete alle jene niedrigen Arbeiten, die nur in Wir schlafen! -Fabriken nicht vollautomatisch erledigt wurden; doch Joey schuftete ebenso unermüdlich wie ein Roboter, meinte Hawke, und außerdem war er ein waschechtes Mitglied jener Klasse, die Wir schlafen! aus der entwürdigenden Abhängigkeit rettete und emporhob. Jordan hatte die Bemerkung auf der Zunge gelegen, daß Joey jetzt von Hawke mindestens ebenso abhängig war, wie früher von der Wohlfahrt, und von den rohen Scherzen seiner Arbeitskollegen mindestens ebenso entwürdigt wurde, wie durch eine Unterbringung in irgendeinem staatlichen Heim. Aber derartige Feststellungen hatte Jordan bei sich behalten. Joey schien glücklich zu sein und zeigte Hawke gegenüber sklavische Dankbarkeit. Verhielt es sich bei den anderen denn nicht ganz genau so?
    »Er ist ein Schlafloser!« keifte die Frau. »Hier ist kein Platz für solches Pack!«
    Joey ein Schlafloser? Schwachsinn. Zu dem Mann, der sich im eisernen Griff des Sicherheitspostens wand, sagte Jordan mit kalter Stimme: »Jenkins, die Wache wird dich jetzt laufen lassen. Aber wenn du Joey auch nur ansiehst, ehe ich der ganzen Sache nicht auf den Grund gegangen bin, dann fliegst du. Verstanden?« Jenkins nickte dumpf, und Jordan sagte zum Sicherheitsmann: »Melde Mayleen, daß hier alles unter Kontrolle ist. Sie soll einen Krankentransport veranlassen. Zwei Patienten. Und jetzt zu dir, Jenkins. Sag mir, was hier vorgefallen ist.«
    »Mistkerl ist ‘n Schlafloser«, legte Jenkins los. »Wir wollen hier kein solches…«
    »Wie kommt ihr auf den Gedanken, daß er ein Schlafloser sein könnte?«
    »Haben ihn beobachtet«, fuhr Jenkins fort. »Turner und Holly und ich. Er schläft nicht. Nie!«
    »Spioniert hinter uns her!« mischte sich die Frau mit durchdringender Stimme ein. »Sicher ‘n Spion für Sanctuary und diese blutrünstige Schlampe Sharifi!«
    Jordan drehte ihr den Rücken zu, kniete sich hin und starrte in Joeys blutiges Gesicht. Er hatte die Lider geschlossen, aber sie zuckten leicht, und plötzlich war Jordan klar, daß Joeys Ohnmacht nur gespielt war. Die Plastikkleidung des Riesen, das Billigste vom Billigen, war völlig zerfetzt; mit seinem wild wuchernden Haar und Bart, dem ungepflegten Mief, den er verströmte, und der blutverschmierten Körpermasse wirkte er auf Jordan wie ein zur Strecke gebrachtes wildes Tier – ein übel zugerichteter Elefantenbulle oder ein waidwunder Bison. Jordan hatte noch nie von der Existenz eines geistig behinderten Schlaflosen gehört, aber wenn Joey überhaupt alt genug war – er sah älter aus als Gott Vater –, konnte es sein, daß man bei ihm nur die schlafregulierenden Gene modifiziert hatte, ohne den Rest auch nur zu überprüfen. Und wenn sein angeborener IQ sehr niedrig war… Aber warum wäre er dann hier? Die Schlaflosen kümmerten sich üblicherweise um die Angehörigen ihrer eigenen Art…
    Jordans Rücken nahm den anderen die Sicht auf Joeys Gesicht. Die dumme Gans hinter Jordan zeterte immer noch von Spionen und Sabotage. »Joey, bist du ein Schlafloser?« fragte Jordan sehr leise.
    Die schwarz verschmierten Lider zuckten wie wild.
    »Joey, antworte mir! Sofort. Bist du ein Schlafloser?«
    Joey öffnete die Augen; direkten Befehlen gehorchte er immer. Tränen bahnten sich einen Weg durch das Blut und den Dreck auf seinem Gesicht. »Mister Watrous – sagen Sie’s nicht Mister Hawke! Bitte, bitte, bitte, sagen Sie Mister Hawke nichts davon!«
    Heißes Mitleid durchströmte Jordan. Er stand auf. Zu seiner Überraschung taumelte und schwankte auch Joey hoch, wobei er sich auf ein Regal stützte, das unter seinem Gewicht erzitterte. Vom Regal weg sank er Jordan in die Arme; der Gestank, der von ihm ausging, war überwältigend. Er hatte sich doch tatsächlich in die Hosen gemacht. Der riesenhafte Mann ängstigte sich wie ein kleines Kind – vor Jenkins, der mürrisch den

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