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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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das Gesicht in Hawkes harten Bauchmuskeln und schluchzte. Hawke machte keine Anstalten, vor dem Geruch, dem Schmutz, dem Blut zurückzuzucken. Er sah einfach nur auf Joey hinab und lächelte versonnen.
    Jordan spürte, wie ihm schlecht wurde. »Hawke, er kann hier nicht bleiben. Sie wissen das. Er kann nicht!«
    Hawke strich Joey über das schmutzstarrende Haar.
    Mit rauher Stimme sagte Jordan: »Joey, verlaß mein Büro. Dies ist immer noch mein Büro. Also geh jetzt. Geh…« Er konnte Joey nicht zurück in die große Werkshalle schicken, längst würde die ganze Fabrik die Wahrheit wissen. Hawkes Büro war versperrt, und die anderen Hallen waren noch schlimmer. Es gab keinen Ort bei Wir schlafen!, an dem Joey vor seinen eigenen Arbeitskollegen sicher sein konnte.
    »Schick ihn zu mir ins Wächterhaus«, sagte Mayleen aus dem Schirm. Jordan hatte völlig vergessen, daß das ComLink immer noch offen war. »Hier kann ihm keiner was tun.«
    So unvermutet aus dieser Richtung angesprochen, überlegte Jordan eilig. Mayleen verwahrte die Waffen… Nein, sie würde Joey nichts antun. Irgendwie hatte er das aus ihrer Stimme herausgehört.
    »Geh zu Mayleen ins Wächterhaus, Joey«, sagte Jordan mit aller Autorität, die er aufbringen konnte. »Geh jetzt.«
    Joey rührte sich nicht von der Stelle.
    »Geh schon, Joey«, sagte Hawke mit seiner amüsierten Stimme, und Joey ging.
    Jordan sah seinen Boß an. »Sie bringen ihn um, wenn er hierbleibt.«
    »Das können Sie doch nicht wissen.«
    »O ja, das weiß ich. Und Sie wissen es auch. Sie haben so viel Haß auf Schlaflose gesät…« Er hielt inne. Dazu führte also Wir schlafen! Nicht bloß zu Haß auf Kevin Baker und Leisha Camden und Jennifer Sharifi – auf starke, kluge Leute, die auf sich selbst achtgeben konnten, auf den wirtschaftlichen Gegner, dem die besten wirtschaftlichen Waffen in die Hand gegeben waren. Nein, auch Haß auf Joey Namenlos, der keine Ahnung von einer wirtschaftlichen Waffe hatte, selbst wenn er darüber stolperte. Was er vermutlich tun würde.
    »So sollten Sie nicht denken, Jordan«, sagte Hawke ruhig. »Joey ist eine Anomalie. Ein Pünktchen in der Statistik der Schlaflosen. Er ist bedeutungslos im wahren Kampf um Gerechtigkeit.«
    »Nicht so bedeutungslos, daß Sie ihn ignorieren könnten. Würden Sie ihn wirklich für bedeutungslos halten, dann hätten sie ihn weggeschickt, weg von hier, in Sicherheit. Hier wird man ihn umbringen, und Sie werden zusehen, weil Sie sich wieder einmal den Nervenkitzel eines Triumphes über die Schlaflosen verschaffen wollen, nicht wahr?«
    Hawke ließ sich mit jener großzügigen, mühelosen Bewegung auf dem Schreibtisch nieder, die Jordan schon hundertmal an ihm gesehen hatte. Tausendmal, wenn er all die Nächte zählte, in denen Hawke ihn bis in seine Träume verfolgt hatte. Mit seinen umgänglichen Bewegungen richtete Hawke sich darauf ein, vergnügt an Jordans Argumentation herumzupicken, vergnügt Jordans naive Anschauungen zu zerpflücken, vergnügt einen billigen Triumph über einen Geist einzufahren, der es nicht annähernd mit dem seinen aufnehmen konnte.
    Doch nicht diesmal.
    »Sie übersehen einen entscheidenden Punkt, Jordy«, sagte Hawke leichthin. »Es ist stets die freie Entscheidungsmöglichkeit des Individuums, die die Grundlage für jegliche persönliche Würde, jedes Selbstbewußtsein bildet. Joey hat sich dafür entschieden, hierzubleiben. Jeder Proponent menschlicher Würde, von Kenzo Yagai angefangen bis zurück zu Abraham Lincoln oder Euripides, hat auf dem Standpunkt gestanden, daß die freie individuelle Entscheidungsmöglichkeit den Druck der Gemeinschaft ablösen muß. Ja, sogar Lincoln selbst sagte – ich weiß, Ihre wundervolle Tante Leisha könnte uns das korrekte Zitat liefern –, also Lincoln sagte zum Thema der Gefahren für gleichberechtigte freigelassene Sklaven…«
    »Ich kündige«, sagte Jordan.
    Hawke lächelte. »Hören Sie, Jordy, haben wir das alles nicht schon mal durchgekaut? Und mit welchem Ergebnis?«
    Jordan ging einfach hinaus. Hawke würde auch zulassen, daß man ihn, Jordan, umbrachte – auf andere Art und Weise. Eigentlich tat er genau das bereits von Anfang an, nur hatte Jordan es nicht erkannt! Oder gehörte dies hier – Joey zu dem Werkzeug zu machen, mit dem er Jordan reizen konnte – auch zu Hawkes wohlerwogenem Vorgehen? Wollte Hawke, daß er kündigte?
    Es gab keine Möglichkeit, das herauszufinden.
    Der Lärm der Fabrikshalle stürzte über ihn

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