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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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in einen Duft. Leisha begann zu verstehen, wie er die lange Reise von Louisiana nach New Mexico unbeschadet hatte überstehen können: seine Mitmenschen waren ihm voll Mitgefühl behilflich gewesen. Das Blut an seinem Arm sah noch frisch aus, genau wie die Lücke, wo der ausgeschlagene Zahn gesessen hatte; durchaus möglich, daß ihm nur Hilfsbereitschaft begegnet war – bis er Eric Bevington-Watrous vor Leishas Tür kennenlernte.
    Und er war erst zehn Jahre alt.
    Sie sagte: »Ich bin siebenundsechzig.«
    Seine Augen wurden groß. »Mann! Du siehst aber nich’ aus wie ‘ne alte Frau.«
    Du solltest erst meine Füße sehen! Sie lachte, und der Kleine grinste. »Vielen Dank, Drew. Aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet. Was erwartest du dir von der Stiftung?«
    »Also mein Pa is’ ohne seinen Pa aufgewachsen, und da wurde ‘n grober Klotz aus ihm, und er soff zuviel«, sagte Drew, als wäre es eine Antwort auf Leishas Frage. »Dann hat er meine Ma verhauen. Meine Schwestern auch. Mich auch. Hat er. Aber meine Ma sagte zu mir, er wär wohl nich’ so geworden, wenn sein Pa noch lebte, sagte sie. Dann wär er nämlich ‘n anderer Mensch, sagte sie, freundlich und nett, und es wär alles nich’ seine Schuld, sagte sie.«
    Das Bild stand lebhaft vor Leishas Augen: Die mißhandelte Mutter, noch nicht einmal dreißig, die den Ehemann ihren Kindern gegenüber von jeder Schuld entband, und die schließlich selbst an ihre entschuldigenden Worte glaubte, weil auch sie eine Entschuldigung brauchte, um nicht davonzurennen. Es ist nicht seine Schuld wird zu Es ist nicht meine Schuld. ›Sie ist die ganze Zeit auf Brainie-Parties‹, hatte Drew gesagt. Es gab solche Brainies und solche. Nicht alle entsprachen den Vorgaben der Behörde, was Harmlosigkeit oder das Ausbleiben von Folgewirkungen der Drogen betraf.
    »Es war nich’ die Schuld von meinem Pa«, wiederholte Drew. »Aber meine, denk ich immer, war’s auch nich’. Also mußte ich eben abhauen aus Montronce.«
    »Ja, schon… aber was willst du?«
    Die grünen Augen verwandelten sich plötzlich. Leisha hätte nicht gedacht, daß ein Kind zu einem solchen Blick fähig war. Haß, ja; sie hatte schon Kinderaugen voller Haß gesehen. Aber das hier war kein Haß, nicht Wut und auch nicht kindlicher Schmerz. Das war ein Erwachsenenblick, wie ihn selbst Erwachsene nicht mehr verwendeten – ein altmodischer Blick: eisige Entschlossenheit.
    »Ich will Sanctuary«, sagte Drew.
    »Du willst es? Was meinst du, wenn du sagst, du willst es? Um es denen heimzuzahlen? Um es zu zerstören? Um den Leuten dort weh zu tun?«
    Die stählerne Härte wich aus den grünen Augen, und sie sahen amüsiert drein – noch erwachsener und noch irritierender. Leisha stand auf und setzte sich wieder hin.
    »Ach wo!« sagte Drew. »Wo denkst du hin? Also ich, ich will doch keinem weh tun! Ich werd den Laden doch nich’ zerstören!«
    »Was denn?«
    »Ich werd’ Sanctuary besitzen, das werd ich!«
     
    Die Sirenen heulten auf der ganzen Orbitalstation, laut und unmißverständlich. Techniker schnappten sich ihre Anzüge. Mütter schnappten sich ihre Kleinen, die bei dem Lärm erschrocken zu weinen begonnen hatten, und instruierten ihre Terminals mit Stimmen, die beinahe zu sehr bebten, um eine Identifikation zu ermöglichen. Die Börse von Sanctuary stellte augenblicklich alle Transaktionen ein; niemand würde von einer wie auch immer gearteten Katastrophe profitieren.
    »Nimm dir einen Flieger«, sagte Jennifer zu Will Sandaleros, der schon seinen Schutzanzug anhatte. Rasch schlüpfte sie in ihren und rannte aus dem Kuppelbau. Jetzt mochte es soweit sein. Und jeder von ihnen schwebte möglicherweise in Lebensgefahr.
    Will ließ den Flieger abheben. Als sie sich der Zone der Schwerelosigkeit entlang der Mittelachse der Orbitalstation näherten, ertönte es aus dem ComLink: »Verkleidungsplatte Vier. Es ist ein Geschoß, Will. Roboter treffen in dreiunddreißig Sekunden ein; Technikertrupps in anderthalb Minuten. Achtung auf den Vakuumsog…«
    »Dafür werden wir nicht schnell genug dort sein«, sagte Will spröde. Doch Jennifer hörte die Erleichterung aus der Sprödheit heraus. Will hatte es nicht gern, wenn sie persönlich zu Unfallorten eilte. Aber um sie davon abzuhalten, hätte er sie anbinden müssen.
    Jetzt konnte sie das Loch sehen, eine klaffende Wunde in einem landwirtschaftlichen Abschnitt der Station. Die Roboter waren bereits dort und sprühten eine erste Schicht hartes

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