Bettler 01 - Bettler in Spanien
war jetzt mit heißen roten Brandwunden übersät, und als jemand brüllte, schwappte eine Woge der Scham über ihn, weil er merkte, daß er selbst es gewesen war. Dann wurde ein Apparat angestellt, und der Raum verschwand.
Sechs Tage verbrachte er auf der Liege. Eine Infusion tröpfelte Nährlösung in seine Armvene, ein Katheter leitete den Harn ab. Drew war sich weder des einen noch des anderen bewußt, denn sechs Tage lang wurden feine elektrochemische Bahnen in seinem Gehirn verstärkt, verbreitert wie eine Straße von einem Bautrupp, der entschlossen zupackt, ohne zu wissen, was später über die Straße ziehen wird. Ungehindert von chemischen Hemmstoffen flossen die Bilder aus Drews Unterbewußtsein, aus seiner stammesgeschichtlichen Erinnerung, von den älteren reptilischen Teilen des Gehirns zur neueren, umfeldangepaßten Großhirnrinde, dem Cortex, dem sie üblicherweise ungefiltert über Träume und Symbole zugingen, und der ohne das starke Gerüst der GenMod-Medikamente, das ihn jetzt stützte, in hysterischer Verwirrung zusammengebrochen wäre.
Er hockte zusammengekrümmt auf einem Felsen in der Sonne und er hatte Klauen, Reißzähne, Federn, Schuppen und Fell. Seine Kiefer senkten sich in das hilflos jaulende Ding und rissen daran, und das Blut spritzte ihm ins Gesicht, über die Schnauze, über den Schädel. Der Blutgeruch erregte ihn, und das wortlose Rauschen in seinen Ohren dröhnte: »Mein! Mein! Mein! Mein!…«
Er stellte sich auf die Hinterbeine, die so stark waren wie Baumstämme, und schlug dem anderen noch einmal mit dem Stein auf den Kopf. Sein Vater, der sich im Erbrochenen seines letzten Rausches wälzte, streckte ihm die gefalteten Hände entgegen und flehte um Gnade. Der Stein landete mit voller Wucht, und aus dem Augenwinkel sah Drew seine Mutter in einem Winkel der Höhle kauern; ihr Fell glitzerte von all den Brainies, und sie wartete auf den Penis, der prall war von tödlicher Verderbnis…
Sie jagten ihn, alle – Leisha und sein Vater und die heulenden Dinger, die ihm an die Kehle wollten, und er rannte und rannte und rannte durch eine Landschaft, die sich ohne Unterlaß veränderte: die Bäume wollten nicht stillstehen, die Büsche rissen ihre Rachen auf und schnappten nach ihm, die Flüsse versuchten, ihn hinabzusaugen in nachtschwarze Finsternis… Doch dann wurde aus der Landschaft das Anwesen in der Wüste, und Leisha war auch dort und nannte ihn schreiend einen Versager, der es verdiente zu sterben, weil er nie etwas richtig machen konnte, ja nicht einmal wachbleiben konnte wie wahre Menschen! Da packte er Leisha und warf sie zu Boden, und diese Handlung brachte soviel erstaunliche Freiheit mit sich, soviel überschwengliche Manneskraft, daß er laut auflachte, und dann waren Leisha und er nackt, und sie war festgebunden, und er sah sich in ihrem Arbeitszimmer um und rief verzückt: »Alles das ist mein, mein, mein…! «
»Er hat keine Schmerzen«, sagte der Arzt. »Das Zucken ist nicht mehr als ein gesteigerter Muskelreflex, eine Reaktion auf die medikamentöse Bombardierung des Cortex. Vergleichbar dem Zustand des Träumens.«
»Träumen«, wiederholte Eric und starrte auf Drews sich krümmenden Körper. »Träumen…«
Der Doktor hob die Schultern – keine Geste der Gleichgültigkeit, sondern der ungeheuren nervlichen Anspannung. Dies war erst das fünfte Mal, daß dieses noch im experimentellen Stadium steckende psychiatrische Verfahren angewandt wurde, und die anderen vier Leute hatten keine so mächtigen Verwandten – oder wie immer Bevington-Watrous zu diesem Mister Smithson stand – gehabt; doch das war dem Doktor auch völlig egal. Sie befanden sich außerhalb der Grenzen der Vereinigten Staaten, und in Mexiko funktionierten die GenMod-Vorschriften über kostspielige Genehmigungen. Der Doktor besaß eine Genehmigung. Natürlich nicht für das, was er soeben tat – aber wer hatte denn schon so eine Genehmigung? Er hob wieder die Schultern.
»Das geht jetzt schon seit drei Tagen«, sagte Eric. »Wann hört denn diese Phase auf?«
»Wir beginnen heute nachmittag mit der künstlichen Verstärkung. Wir… ja, Schwester, was gibt’s?«
»ComLink für Mister Bevington-Watrous.« Die junge mexikanische Krankenschwester klang ängstlich. »Es ist Miss Leisha Camden.«
Eric wandte sich langsam um. »Wie hat sie uns gefunden?«
»Ich weiß es nicht, Sir. Wollen Sie… wollen Sie zum Terminal kommen?«
»Nein«, sagte Eric.
Neunzig Sekunden später war die
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