Bettler 01 - Bettler in Spanien
Plasti-Overalls und schwarze Stiefel. Drew erinnerte sich nur bei dreien von ihnen an die Namen. Er hatte sie am Nachmittag in einer Bar kennengelernt, kurz nachdem er selbst in die Stadt gekommen war. Er schätzte sie auf jünger als seine eigenen neunzehn Jahre, aber das war nicht wichtig. Sie hatten Bezugsscheine für Alkohol und Brainies, warum sollte es also wichtig sein? Warum sollte irgend etwas wichtig sein?
»Jetzt!« schrie einer von ihnen.
Sie stürzten vorwärts. Drews Rollstuhl verfing sich in einem zähen Klumpen Unkraut, und der Schwung wollte seinen Körper mit sich forttragen, aber die Gurte hielten ihn fest, und der Rollstuhl richtete sich wieder auf und fuhr weiter. Doch die anderen erreichten den Y-Schild zuerst und schleuderten ihre selbst gebastelten Bomben hoch, die sie mit dem gestohlenen Benzin aus einer verlassenen Farm alten Stils angefertigt hatten. Niemand außer Drew hatte gewußt, worum es sich bei dem Zeug handelte, und ebensowenig kannte einer von ihnen den Ausdruck ›Molotow-Cocktail‹. Drew war der einzige, der lesen konnte.
»Scheiße!« schrie der jüngste von ihnen.
Seine Bombe hatte offenbar den obersten Teil des Energiezaunes getroffen, war explodiert, und nun regnete es Feuer und Plastiksplitter auf das trockene Gras, das sofort in Brand geriet. Bei den zwei nächsten Bomben geschah genau das gleiche. Der vierte Junge ließ die seine fallen und rannte brüllend davon; sein Hemd war von einem brennenden Fragment getroffen worden und fing Feuer.
Drew raste mit dem Rollstuhl bis auf zwei Meter an den Zaun heran, streckte den Arm weit zurück und warf die Flasche hoch. Seine muskulösen Arme, das Produkt unablässigen Trainings, schleuderten die Flasche mühelos über den Y-Zaun. Das Gras auf beiden Seiten des Schildes fing an zu brennen.
»Karl hat’s erwischt!« schrie jemand.
Die drei anderen Jungen hetzten zurück zu ihren Motorrollern. Einer von ihnen packte Karl und rollte ihn über das Gras. Drew saß reglos in seinem Rollstuhl, sah ins Feuer und horchte auf die Sirene, die noch lauter kreischte als der brennende Junge im Gras.
»Da will dich wer rausholen, Lahmarsch«, sagte der Stellvertreter des Sheriffs. Er löste die Y-Schranke und riß geräuschvoll die Zellentür auf.
Drew setzte eine unverschämte Miene auf und hob den Kopf von der Schaumsteinpritsche; doch der Ausdruck in seinem Gesicht verschwand rasch, als sein Retter eintrat. »Du? Wie das?«
»Du hast wohl wieder einmal Leisha erwartet«, sagte Eric Bevington-Watrous. »Pech gehabt, diesmal bin’s nur ich.«
»Hat sie’s satt, Kaution für mich hinzulegen?«
»Wenn nicht, dann wär’s höchste Zeit.« Drew musterte ihn aufmerksam in dem Bemühen, Erics kühler Verachtung gerecht zu werden. Es war, als hätte der wütende Junge, der mit ihm unter der Pappel gerauft hatte, nie existiert. Eric trug schwarze Baumwollhosen über einem gerafften Bodystretch und eine schwarze, diagonal geschnittene Jacke – alles sehr konservativ, aber schick. Seine Schuhe waren aus argentinischem Leder, die Haare ordentlich geschnitten, und seine Haut hatte einen frischen Schimmer. Er sah aus wie ein gepflegter, souveräner Macher, der es gewohnt war, das Sagen zu haben, während Drew wußte, daß er selbst aussah wie ein Nutzer, der längst zu weit abgerutscht war, um noch irgend etwas zu nutzen. Was stimmte. Wenn er die Dinge von außen betrachtete – und das stellte die einzige Art dar, wie Drew momentan die Dinge sehen wollte –, dann sah er Eric und sich selbst als eine glatte, kühle Eiform, die sich schwerelos neben einer zerklüfteten, mißgestalteten Pyramide mit abgeschlagenen, scharfkantigen und ausgezackten Ecken bewegte.
Aber wer war denn schuld an der Mißgestaltung? Wer hatte ihn denn zu einem Krüppel gemacht? Wessen beschissene Wohltätigkeit hatte ihm denn vor Augen geführt, wie wertlos er war im Vergleich zu all den großkotzigen Machern auf der Welt? »Und was ist, wenn ich gar nicht raus will?«
»Dann verfaul hier«, sagte Eric. »Mir ist das egal.«
»Wieso auch nicht? Dir mit deinem Macher-Anzug und deiner Schlaflosen-Überheblichkeit und dem Geld deiner Tante!«
Eric stand über solchen Nadelspitzen. »Es ist jetzt mein Geld. Ich verdiene es mir. Im Gegensatz zu dir, Arien.«
»Manche von uns haben es ein bißchen schwerer.«
»Ach, und deshalb solltest du uns ja besonders leid tun, nicht wahr? Der arme Drew. Der arme, stinkende kleine Gauner. Du bist ein kleiner falscher Hund,
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