Bettler 01 - Bettler in Spanien
Schwester wieder da. »Sir, Miss Camden sagt, wenn Sie nicht mit ihr sprechen, wird sie in zwei Stunden hier sein.«
»Ich werde nicht mit ihr reden«, erklärte Eric halsstarrig, aber die Pupillen seiner Augen weiteten sich, und das ließ ihn plötzlich viel jünger aussehen. »Herr Doktor, was geschieht, wenn die Behandlung jetzt unterbrochen wird?«
»Sie kann nicht mehr unterbrochen werden. Wir wissen nicht genau, wie der… Aber es würde gewiß zu schwerwiegenden geistigen Konsequenzen kommen. Ganz gewiß.«
Eric fuhr fort, Drew anzustarren.
Die Bilder wurden zu Formen. Indem sie das taten, verloren sie nicht an Identität, sondern verstärkten sie: Die Formen waren Bilder plus mehr. Die Formen waren die Quintessenz der Bilder, und es waren Drews Bilder und zugleich auch nicht die seinen: sowohl seine persönlichen Engel, Dämonen, Ängste, Sehnsüchte, Triebe, wie auch die eines jeden anderen. Niemand sah sie außer ihm, niemand hatte sie je gesehen, aber sie waren seine persönliche Auslegung der Allgemeinbegriffe, das wußte er. Selbst durch die ungewohnten Medikamente, die Elektroden und das Stadium halber Trance hindurch nahm er das mit einem Teil seines Bewußtseins wahr. Dieser Teil erkannte die Bilder, und Drew wußte, er würde sie nie wieder vergessen; er wußte auch, daß es nicht damit getan war, sie zu entwerfen.
»Wir gehen jetzt zu Theta-Aktivität über«, sagte der Doktor. »Wir zwingen seinen Cortex elektronisch zu Gehirnwellen, die für langsamwelligen Schlaf charakteristisch sind.«
Eric sagte nichts. Eine Uhr an der Wand signalisierte die Zeit, und er schien unfähig, die Augen davon abzuwenden.
»Mister Bevington-Watrous, Sie haben selbstverständlich mit Ihrer Unterschrift auf die Abgeltung aller eventuellen Schäden verzichtet, die sich aus der Behandlung von Mister Smithson ergeben könnten, und Sie haben uns darüber hinaus versichert, daß Ihre Position es für den Fall, daß die Sache sich zu einem Auslieferungsbegehren weiten könnte, erlauben würde…«
»Nicht alle Schlaflosen sind gleich einflußreich, Doktor. Mein Einflußbereich schließt zum Beispiel die Auslieferungsbehörden mit ein, aber ich bin nicht so einflußreich wie Miss Camden, meine Tante. Dieses Faktum können Sie ebensogut gleich akzeptieren. Denn sie wird alles daransetzen, daß wir beide es akzeptieren.«
Drew schlief. Und doch war es kein Schlaf. Die Bilder zogen vom limbischen System über die verbreiterten Straßen zu seinem erreichbaren Verstand, und er sah sie und erkannte sie. Doch nun bewegte er sich mitten unter ihnen. Drew, ein Schlafwandler mit dem Vorzug der doppelten Natur des Schlafwandlers: schlafend und doch in Kontrolle seiner Muskulatur. Er bewegte sich unter den Formen und veränderte sie, machte sie neu und formte sie durch lichte Träume.
»Das EEG zeigt Deltaaktivität, weil er jetzt zutiefst im langsamwelligen Schlaf steckt«, erklärte der Doktor. Es kam nicht klar heraus, ob er zu Eric oder zu sich selbst sprach. »Die meisten Träume finden während des REM-Schlafes statt, aber einige Phasen existieren auch im langsamwelligen, und das ist sehr wichtig. Dieses ganze Verfahren basiert auf dem Umstand, daß verminderter langsamwelliger Schlaf für gewöhnlich mit Schizophrenie in Zusammenhang gebracht wird, mit einem gewalttätigen Hintergrund oder mit einer ganz allgemein schlechten Schlafregulierung. Indem wir künstliche Bahnen zwischen unbewußten Impulsen und dem Stadium des langsamwelligen Schlafes herstellen, zwingen wir das Gehirn, jenen Impulsen, die gestörtes Verhalten verursachen, entgegenzutreten und sie zu unterdrücken. Die Theorie besagt, daß es dadurch zu einem Zustand erhöhter seelischer Ausgeglichenheit kommt, einer Ausgeglichenheit ohne die bekannten dämpfenden Nebenwirkungen üblicher Antidepressiva – genaugenommen eine wahre Ausgeglichenheit, basierend auf den neuen Verbindungen des Gehirns zwischen seinen miteinander in Widerstreit liegenden… Niemand kann das Y-Sicherheitsfeld dieses Gebäudes überwinden, Mister Bevington-Watrous!«
»Wer hat die Sicherheitseinrichtungen entworfen?«
»Kevin Baker. Über eine unserer verdeckten Tochtergesellschaften, natürlich.«
Eric lächelte.
Drew atmete gleichmäßig und tief; seine Augen waren geschlossen, sein kräftiger Oberkörper und die unbrauchbaren Beine lagen still.
Er war Herr des Kosmos. Alles darin bewegte sich durch seinen Geist, er formte es durch seine lichten Träume, und alles gehörte
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