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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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mein Sohn.« Jennifer stand auf und griff nach dem Tablett. Sie vermied es, ihren Mann anzusehen. »Will?«
    »Ja?«
    »Laß Rickys Büro und Mirandas Labor überwachen.«
    »Das können wir nicht. Jedenfalls nicht bei Miri. Die SuperS experimentieren seit langem schon mit den Sicherheitsvorkehrungen. Und was Tony entworfen hat, ist nicht zu knacken. Jedenfalls nicht von uns, ohne sichtbare Spuren zu hinterlassen.«
    Als Will Tony erwähnte, stieg erneut Trauer in Jennifers Augen. Will erhob sich und nahm sie in die Arme, ungeachtet des Tabletts, das sie in den Händen hielt.
    Aber ihre Stimme klang gefaßt. »Dann weise Miri ein neues Labor zu, in einem anderen Gebäude. Wo eine Überwachung durchführbar ist.«
    »Ja, Liebes. Wird noch heute erledigt. Aber, Jenny – es ist sicher nur kindlicher Kummer und Schock. Sie ist ein außergewöhnliches Mädchen. Sie wird wieder auf den richtigen Weg zurückfinden und das Unvermeidliche akzeptieren.«
    »Ganz gewiß wird sie das«, sagte Jennifer. »Sie soll noch heute in ein neues Labor übersiedeln.«

 
    23
     
    Eine Woche nach Tonys Tod machte Miri sich auf die Suche nach ihrem Vater. Die Verwaltung der Orbitalanlagen hatte sie aus ihrem alten Labor geworfen – aus ihrem und Tonys Labor, wo er einst zusammen mit Miri gearbeitet, gelacht und geplaudert hatte – und ihr ein neues in Forschungskuppel vier zugewiesen. Am selben Nachmittag noch hatte Terry Mwakambe sich dort eingefunden.
    Von allen SuperS war Terry der brillanteste, wenn es um Systemkontrolle ging – sogar besser als Tony. Doch er und Tony hatten nur selten zusammengearbeitet, weil Terrys Gedankenfäden die Kommunikation mit ihm äußerst schwierig machten. Seine radikalen Zusatzmodifikationen, deren neurochemische Konsequenzen noch nicht ganz erforscht waren, ließen ihn selbst in den Augen der anderen SuperS sonderbar und fremd erscheinen. Die meisten seiner Fadengebilde bestanden aus mathematischen Formeln, die auf der Chaostheorie und auf den neueren Disharmonie-Phänomenen basierten. Er war zwölf Jahre alt.
    Terry verbrachte Stunden vor Miris Terminals und den großen Bildschirmen an der Wand; seine Augen zwinkerten heftig, und sein kindlicher Mund verzerrte sich zu einer dünnen, zuckenden Linie. Er sprach kein Wort zu Miri, und schließlich merkte sie, daß sein Schweigen Zorn war – bebender Zorn, ebenso gewaltig wie der ihre. Terry liebte seine Eltern, Normal-Schlaflose, denen er die Veränderung seiner Gene und damit seine unheimliche, außergewöhnliche Intelligenz verdankte: jene Super-Fähigkeiten, die nun von den gleichen Normalen unter Aufsicht gestellt wurden, als wäre Miri – eine, die so war wie er – irgendein diebischer Bettler. Terrys Gefühl, hintergangen, verraten worden zu sein, erfüllte den Raum wie Gluthitze.
    Als er fertig war, funktionierten die Überwachungseinrichtungen des Hohen Rates perfekt. Sie zeigten Miri am Terminal, wo sie endlose Schachpartien gegen den Computer austrug. Als Ablenkung von ihrem Schmerz. Ein Spiel um Macht von einer, die entdecken mußte, daß sie machtlos war gegen den Tod. Der Infrarot-Scanner verfolgte jede Bewegung von Miris Körper, der sich zumeist reglos über das holographische Schachbrett beugte, denn sie nahm sich viel Zeit für jeden Zug. Systemüberwachungsprogramme machten es möglich, jeden einzelnen Zug aus jedem einzelnen Spiel abzurufen. Miri gewann jedesmal, obwohl ihr etliche Flüchtigkeitsfehler bei der Verteidigung unterliefen.
    »S-S-S-So!« sagte Terry, als er die Labortür hinter sich zuknallte. Es war das einzige Wort, das er gesprochen hatte.
    Miri entdeckte ihren Vater im Park an jener Stelle, über der der Spielplatz geschwebt war. Sein und Hermiones zweites normales Kind saß zappelnd auf seinem Schoß. Das Kleine war fast zwei Jahre alt, ein hübscher Junge namens Giles mit braunen GenMod-Locken und großen dunklen Augen. Ricky hielt ihn fest, als könnte er unter seinem Griff zerbrechen, und Giles wollte sich daraus hervorwinden, um auf den Boden zu gelangen.
    »Er redet noch nicht«, war das erste, was Ricky zu Miri sagte. Sie ging die Implikationen dieser Bemerkung durch.
    »W-W-Wird er b-b-bald. N-N-NormS h-h-heben es s-s-sich m-m-manchm-mal auf und r-r-reden d-dann g-g-gleich in g-ganzen S-S-Sätzen.«
    Ricky drückte den unruhigen Kleinen fester an sich. »Wieso weißt du das, Miri? Du bist doch keine Mutter! Du bist selbst noch ein Kind. Wieso weißt du das eigentlich?«
    Sie konnte ihm nicht antworten.

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