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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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hatten. Vielleicht würden sie nie etwas ändern. Vielleicht würde sich keine Notwendigkeit dafür ergeben.
    Zu Beginn des zweiten Monats durchbrach Terry eine wesentliche Programmsperre. Er und Nikos riefen zu einer Besprechung in Nikos’ Arbeitszimmer. Beide Jungen waren bleich wie Wachs. Ein Netz aus roten Kapillargefäßen pulsierte auf Terrys Stirn über der Maske. Vor etwa vier Wochen hatte ein Dutzend SuperS angefangen, diese Masken aus modelliertem Plaspier zu tragen, die die untere Gesichtshälfte vom Kinn bis zu den Augen verdeckten und nur ein Loch zum Atmen offen ließen. Einige der Mädchen bemalten die Masken sogar. Doch Miri hatte bemerkt, daß die Kinder, die ihren normalschlaflosen Eltern besonders nahestanden, keine Masken trugen. Sie wußte auch nicht, ob man denjenigen, die sie trugen, je deswegen Fragen gestellt oder das Auftauchen der Masken mit Tony Sharifis Tod im Zusammenhang gebracht hatte.
    »Sh-Sh-Sh-Sharifi-L-L-L-L-L-…« Terry ließ die Handkante durch die Luft sausen, eine Geste, die, grob gesagt, »leck mich!« bedeutete. Während des letzten Monats war die nichtverbale Zeichensprache, immer schon ein wichtiger Teil der Kommunikation der SuperS untereinander, zusehends unzivilisierter geworden.
    Nikos versuchte es. »Sh-Sh-Sharifi-L-Labors v-v-verf-f-fügen ü-ü-über einen t-t-t…« Aber auch er war zu aufgeregt. Terry rief die entsprechenden Fäden über sein Terminal ab, aber wie die meisten seiner Fäden konnten auch diese außer von ihm selbst nur von Terry verstanden werden. Also erzeugte Nikos in seinem Programm ein Fadengebilde und übertrug es in Miris Programm, das für die Gruppe als Ganzes immer noch das am besten verständliche Datenformat war. Siebenundzwanzig Kinder drängten näher.
    Sharifi-Labors hatten einen augenblicklich tödlich wirkenden, äußerst leicht übertragbaren GenMod-Organismus künstlich hergestellt, der aus dem Code eines Virus entwickelt worden war, der jedoch in wichtigen Eigenschaften deutliche Unterschiede zu einem Virus aufwies. Sorgfältig ausgewählte Schlaflose, die kurz vor Beendigung ihres Universitätsstudiums auf der Erde standen, hatten bereits an verschiedenen Orten in den Vereinigten Staaten kleine Mengen der tiefgefrorenen biologischen Waffe hinterlegt, die per Fernsteuerung von Sanctuary aus aufgetaut und verteilt werden konnten. Solche versteckten Depots, die mit konventionellen Methoden nicht aufzuspüren waren, befanden sich in New York, Washington, Chicago, Los Angeles und auf der Kagura-Orbitalstation, die nun im Eigentum der Sharifi-Gruppe stand. Und ehe sein kurzes Leben endete – also innerhalb von etwa zweiundsiebzig Stunden – war das Virus in der Lage, jeden sauerstoffabhängigen Organismus zu töten, der hoch genug entwickelt war, um ein Nervensystem zu besitzen. Doch im Gegensatz zu jedem anderen Virus konnte sich dieses hier nicht unbegrenzt vermehren: zweiundsiebzig Stunden nach dem Auftauvorgang zerstörten sich alle Exemplare selbst. Ein Meisterstück genialer Gentechnik.
    Niemand sagte ein Wort.
    Schließlich stammelte Allen: »N-N-N-Nur z-zu V-V-V-Vert-t-teidigungsz-z-zwecken! Eins-s-s-satz n-nur, w-w-wenn S-S-S-Sanctuary z-z-zuerst angeg-g-griffen w-w-wird! N-N-Nicht als P-P-P-Präventiv…«
    »J-J-Ja!« fiel Diane bereitwillig ein. »N-N-N-Nur z-z-zur V-V-Vert-t-teidig-g-gung! S-So m-m-muß es s-s-sein! W-W-Wir w-w-würden d-d-doch n-n-nie…«
    Verzweifelt meinte Christy: »N-N-Nur s-s-so, w-w-wie w-w-wir! W-W-Wie es d-d-die B-B-Bettler m-m-machen!«
    Stimmen erhoben sich zu einem Durcheinander von Stammeln und Stottern und Geschrei. Sie wollten alle so gern glauben, daß Sanctuary nichts anderes machte als sie selbst, nämlich für das Vorhandensein von geheimen Verteidigungsmechanismen zu sorgen, von denen man hoffte, daß sie nie wirklich zum Einsatz kommen mußten. Die Virusorganismen existierten nur, um im Ernstfall eine Basis für Verhandlungen zu haben, um wohlfundierte Drohungen aussprechen zu können, und das war schließlich das einzige, was Schläfer verstanden! Das wußten alle! Die Schlaflosen hatten ein Recht auf Selbstverteidigung, sollte Sanctuary direkt angegriffen werden. Schlaflose waren keine Mörder! Die Schläfer waren die Mörder! Auch das wußten alle.
    Miri sah zuerst Terry ins Gesicht, dann Nikos, dann Christy, dann Allen. Und dann blickte sie wieder auf die biologische Geheimwaffe ihrer Großmutter, die selbst vor dem Hohen Rat von Sanctuary geheimgehalten wurde und nur jener

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