Bettler 01 - Bettler in Spanien
deren klarer und gesunder Geist sie geschaffen hat. Durch die Existenz der Schlaflosen könnte unser tiefsitzender amerikanischer Glaube an Recht und Gesetz möglicherweise auf die bisher schwerste Probe gestellt werden. Nein, die Schlaflosen wurden nicht › gleich geschaffen‹; doch unsere Einstellung ihnen gegenüber sollten wir mit einer Nüchternheit und Sorgfalt prüfen, die jener unserer Gesetzgebung entspricht. Möglicherweise gefällt uns nicht, was wir dabei über unsere Motive erfahren, jedoch könnte unsere Glaubwürdigkeit als Volk von der Sachlichkeit und Klugheit dieser Prüfung abhängen.
An beidem hat es der öffentlichen Reaktion auf die Forschungsergebnisse des letzten Monats gemangelt.
Das Gesetz ist kein billiges Theater. Und ehe wir darangehen, Gesetze abzufassen, die vulgäre und überreizte Regungen reflektieren, müssen wir sicher sein, daß wir uns des Unterschiedes bewußt sind.
Leisha preßte lächelnd die Arme um sich und starrte voller Freude den Bildschirm an. Sie rief bei der New York Times an und erkundigte sich, wer den Artikel geschrieben hatte. Die Telefonistin, eben noch äußerst zuvorkommend, als sie den Anruf entgegengenommen hatte, meinte brüsk, die Times würde diese Information ›erst nach internen Ermittlungen‹ freigeben.
Doch das konnte Leishas Hochstimmung nicht dämpfen. Zum erstenmal nach tagelangem Sitzen am Schreibtisch oder vor dem Bildschirm sauste sie aufgeregt im ganzen Apartment herum; diese überschäumende Freude schrie geradezu nach körperlicher Aktivität. Sie spülte das Geschirr, räumte die Bücher auf. In der Anordnung der Möbel hatten sich einige leere Stellen aufgetan, wo Richard Stücke mitgenommen hatte, die ihm gehörten; etwas besinnlicher geworden rückte sie die Möbel so zurecht, daß sich die Lücken schlossen.
Susan Melling rief an, um sie auf den Leitartikel der Times aufmerksam zu machen, und sie plauderten einige Minuten lang herzlich miteinander. Kaum hatte Susan aufgelegt, klingelte es erneut.
»Leisha? Deine Stimme klingt immer noch wie früher! Hier spricht Stewart Sutter.«
»Stewart!« Sie hatte ihn seit Jahren nicht mehr gesehen. Ihre Beziehung hatte zwei Jahre lang gedauert und sich dann gelöst – nicht aufgrund irgendeines schmerzlichen Schlußpunktes, sondern einfach als Folge des enormen Drucks, den das Studium ihnen auferlegte. Und als sie nun so neben dem Telefon stand und seine Stimme hörte, spürte Leisha plötzlich wieder seine Hände auf ihrem Busen, wie damals auf dem schmalen Bett im Studentenheim – zum erstenmal nach so vielen Jahren hatte sie eine passende Verwendung für ein Bett entdeckt! Die Hände auf ihren Brüsten gehörten plötzlich Richard, und ein stechender Schmerz durchfuhr sie.
»Hör zu«, sagte Stewart, »ich rufe an, weil mir ein paar Sachen zu Ohren gekommen sind, und ich möchte, daß du darüber Bescheid weißt. Nächste Woche kommt die Zulassungsprüfung auf dich zu, stimmt’s? Und dann fängst du probeweise bei Morehouse, Kennedy & Anderson an.«
»Wie hast du denn das alles erfahren, Stewart?«
»Tratsch auf dem Pissoir. Also nein, ganz so schlimm ist es nicht. Aber die New Yorker Gemeinde der Rechtsverdreher ist kleiner als man denkt. Und du stehst doch ein wenig im Rampenlicht, Leisha.«
»Ja«, sagte Leisha emotionslos.
»Niemand hier hegt den geringsten Zweifel, daß du die Berufszulassung bekommst. Aber der Job bei Morehouse, Kennedy scheint ein wenig fraglich geworden zu sein. Die beiden Seniorpartner der Firma, Alan Morehouse und Seth Brown, haben seit dieser… Aufregung kalte Füße bekommen. ›Schadet dem Ansehen der Firma‹, ›macht die Juristerei zu einem Zirkus‹, blablabla. Du weißt, was ich meine. Aber du hast auch zwei mächtige Fürsprecher, Leisha. Ann Carlyle und Michael Kennedy, den Alten höchstpersönlich. Ein wirklich bemerkenswerter Kopf. Na, jedenfalls wollte ich, daß du über all das informiert bist, damit du die Situation genau einschätzen kannst und weißt, auf wen du beim Nahkampf zählen kannst.«
»Ich dank dir«, sagte Leisha. »Stew… Weshalb interessierst du dich dafür, ob ich die Stelle bekomme oder nicht? Es könnte dir doch eigentlich gleichgültig sein.«
Ein Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann sagte Stewart sehr leise: »Leisha, wir sind nicht alle überhebliche Trottel hier. Manchen von uns liegt die Gerechtigkeit doch noch am Herzen. Und echte Leistung.«
Ein heller Schein stieg in ihr auf, eine Kugel aus
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