Bettler 01 - Bettler in Spanien
Ein-, zweimal täglich überflog sie Kevins elektronische Zeitungsausschnitte.
Gelegentlich zeigte sich ein Hoffnungsschimmer am Horizont. Die New York Times brachte einen Leitartikel, der von zahlreichen elektronischen Nachrichtendiensten übernommen wurde:
ERFOLG UND HASS:
EIN TREND, DEN WIR LIEBER NICHT
SEHEN WÜRDEN
Die Vereinigten Staaten haben noch nie zu jenen Ländern gehört, in denen sich Logik, Rationalität und Besonnenheit großer Wertschätzung erfreuen. Unser ganzes Volk tendiert dazu, diese Eigenschaften als ›kalt‹ abzustempeln. Und als ganzes Volk tendieren wir andererseits dazu, Emotionen und Tatkraft zu bewundern. Wir begeistern uns an unserer Geschichte und an unseren Geschichten – nicht am Entwurf der Verfassung, sondern an ihrer Verteidigung auf Iwo Jima; nicht an den intellektuellen Leistungen eines Linus Pauling, sondern am leidenschaftlichen Heldentum eines Charles Lindbergh; nicht an den Erfindern der Einschienenbahn und der Computer, die uns einander näherbringen, sondern an den Verfassern der zornigen Gesänge des Bürgerkrieges, die uns entzweien.
Ein ganz eigenartiger Aspekt dieses Phänomens ist der Umstand, daß es sich in Zeiten des Wohlstandes verstärkt. Je besser es unseren Bürgern geht, desto tiefer ist ihre Verachtung für die sachliche, nüchterne Gedankenarbeit, die ihnen das Wohlergehen erst ermöglicht hat, und desto leidenschaftlicher ihre Neigung zu Emotionalität. Denken wir doch an die grellen Exzesse der verrückten zwanziger Jahre und die Verachtung des Establishments in den Sechzigern des vergangenen Jahrhunderts. Denken wir an den noch nie dagewesenen Wohlstand, den uns die Y- Energie in unserem Jahrhundert verschafft hat – und dann erinnern wir uns daran, daß Kenzo Yagai – außer von seinen Anhängern – als habgieriger, gefühlloser Logiker betrachtet wurde, während wir unsere nationale Lobhudelei Leuten wie dem neo-nihilistischen Schriftsteller Stephen Castelli, der gefühlsduselnden Schauspielerin Brenda Foss und dem waghalsigen Schwerkrafttaucher Jim Morse Luter aufdrängen.
Doch vor allem sollten wir, während wir in unseren mit Y-Energie versorgten Häusern diesem Phänomen nachgrübeln, die Welle irrationaler Emotionen gegen unsere ›schlaflosen‹ Mitbürger bedenken, seitdem das Biotech-Institut und die Medizinische Hochschule von Chicago mit ihren Erkenntnissen über die Geweberegeneration bei diesen Menschen an die Öffentlichkeit getreten sind.
Die meisten Schlaflosen sind intelligent; die meisten von ihnen sind kühl und nüchtern – wenn man mit diesen gern abschätzig verwendeten Wörtern sagen will, daß die so bezeichnete Person ihre Energien lieber zur Lösung von Problemen als zu ihrer Emotionalisierung aufwendet. (Selbst Pulitzer-Preisträgerin Carolyn Rizzolo hat uns in ihrem Stück ein verblüffendes Zusammenspiel von Ideen präsentiert und nicht einen Amoklauf der Leidenschaften!) Ihnen allen ist außerdem ein natürliches Leistungsstreben gemein, dessen Erfolg durch das Drittel mehr Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, sicherlich erleichtert wird. Ihre Begabungen liegen zumeist auf jenen Gebieten, in denen Logik zählt und nicht Emotion: Computerwissenschaften, Finanzwesen, Rechtswissenschaft, Physik, medizinische Forschung. Sie sind rational, ordentlich, besonnen, intelligent, fröhlich, jung und möglicherweise sehr langlebig.
Und sie sind – in unserem Land mit seinem noch nie gekannten Wohlstand – zunehmend verhaßt.
Entspringt dieser Haß, den wir seit einigen Monaten so heftig ausbrechen sehen, tatsächlich, wie so oft behauptet, dem ›ungerechtfertigten Vorteil‹, den die Schlaflosen bei der Arbeitssuche, bei Beförderungen, beim Verdienst und beim Erfolg haben? Ist dieser Haß wirklich nichts anderes als Neid auf die Schlaflosen, denen wir Glück und Erfolg mißgönnen? Oder wurzelt er in etwas Verderblicherem, in unserem traditionellen amerikanischen Handeln nach dem ›Schuß-aus-der-Hüfte‹-Prinzip und dem damit Hand in Hand gehenden kopflosen Haß auf alles, was logisch ist, nüchtern, besonnen und überlegt? Handelt es sich, kurz gesagt, um Haß auf den überlegenen Geist?
Wenn das stimmt, dann sollten wir lange und eingehend über die Begründer dieser Nation nachdenken, über Jefferson, Washington, Paine, Adams – alles Söhne des Zeitalters der Aufklärung –, die unser geordnetes, ausgewogenes Rechtssystem just deshalb schufen, um das Eigentum und die Werke jener zu schützen,
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