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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Bettler?«
    Alice erhob sich von der Teppichrolle. Sie tat es langsam, bedächtig, wischte den Staub von der Rückseite ihres zerknitterten Rocks und strich den gemusterten Kattun glatt. Dann ging sie zu Leisha und schlug ihr die flache Hand über den Mund.
    »Bin ich jetzt vielleicht real für dich geworden?« fragte sie ruhig.
    Leisha berührte mit den Fingern ihre Lippen; sie spürte das Blut. Plötzlich klingelte das Telefon – Camdens Privatleitung. Alice stapfte hinüber, hielt es ans Ohr, lauschte ein Weilchen und streckte es Leisha entgegen. »Für dich.«
    Immer noch ein wenig benommen, griff Leisha danach.
    »Leisha? Hier spricht Kevin. Hör zu, es ist etwas passiert. Stella Bevington hat mich angerufen, übers Telefon, nicht über Groupnet; ich glaube, ihre Eltern haben ihr das Modem weggenommen. Ich nahm also den Anruf entgegen, und dann hörte ich sie nur schreien: ›Hier ist Stella! Sie schlagen mich! Er ist betrunken…‹ Und dann brach die Verbindung ab. Randy ist nach Sanctuary gezogen – verdammt, sie sind alle nach Sanctuary gezogen! Du bist in ihrer nächsten Nähe, sie wohnt immer noch in Skokie. Du solltest so rasch wie möglich nach ihr sehen. Kannst du dich auf deine Leibwächter verlassen?«
    »Ja«, sagte Leisha; sie hatte überhaupt keine. Jetzt endlich nahm der Zorn Gestalt an! »Ich erledige das. Kein Problem.«
    »Ich weiß nicht, wie du sie dort rauskriegen kannst«, sagte Kevin. »Man wird dich erkennen. Ihre Eltern wissen, daß sie jemanden angerufen hat, vielleicht haben sie sie bewußtlos geschlagen…«
    »Ich werde schon fertig damit«, knirschte Leisha zum Abschied.
    »Womit wirst du fertig?« erkundigte sich Alice.
    Leisha drehte sich um zu ihr; sie wußte, es war ein Fehler, dennoch sagte sie: »Mit dem, was deine Leute uns antun. Einer von uns. Einem sieben Jahre alten Mädchen, das von ihren Eltern verprügelt wird, weil es eine Schlaflose ist – weil sie besser ist als ihr alle zusammen…« Sie rannte die Treppe hinab und zu dem Mietwagen, mit dem sie vom Flughafen herausgefahren war.
    Alice rannte dicht hinter ihr her. »Nicht mit deinem Wagen, Leisha! Über den Leihwagen kann man ganz leicht deine Identität feststellen! Wir nehmen meinen.«
    Leisha brüllte: »Wenn du glaubst, daß du…!«
    Alice riß die Tür ihres zerbeulten Toyota auf, der so alt war, daß die Y-Energiekegel noch nicht eingebaut waren, sondern wie Hängebacken außen an den Seiten herabhingen. Alice drückte Leisha auf den Beifahrersitz, rammte die Tür ins Schloß und zwängte sich hinter das Lenkrad. Ihre Hände waren völlig ruhig. »Wohin?«
    Leisha spürte, wie eine große Schwärze über sie hereinstürzte. Sie beugte den Kopf nach vorn, so weit über ihre Knie, wie es die Enge in dem Toyota zuließ. Es war zwei – nein, drei – Tage her, seit sie zum letztenmal gegessen hatte; seit dem Abend vor der Zulassungsprüfung. Der Schwächeanfall ließ nach, überkam sie aber sofort wieder, wenn sie den Kopf hob.
    Sie nannte Alice die Adresse in Skokie.
     
    »Setz dich nach hinten«, sagte Alice. »Im Handschuhfach ist ein Kopftuch, binde es dir um. Und zieh’s dir so ins Gesicht, daß man möglichst wenig davon sieht.«
    Alice hatte den Wagen auf dem Highway 42 angehalten. Leisha sagte: »Das ist aber nicht…«
    »Hier kann man vom Fleck weg Leibwächter für kurzzeitige Dienste anheuern. Es muß so aussehen, als würden wir ordentlich beschützt, Leisha. Wir müssen ihm ja nichts auf die Nase binden. Ich beeile mich.«
    Keine drei Minuten später kam sie mit einem ungeheuer großen Mann zurück, der in einem billigen dunklen Anzug steckte. Er quetschte sich auf den Beifahrersitz und hielt im übrigen den Mund. Alice machte sich nicht die Mühe, ihn vorzustellen.
    Das Haus war klein und etwas abgewohnt; unten brannte Licht, oben nicht. Im Norden standen die ersten Sterne am Himmel. Alice sagte zu dem Riesen: »Steigen Sie aus und bleiben Sie hier neben der Wagentür stehen – nein, mehr ins Licht. Tun Sie nichts, wenn ich nicht in irgendeiner Weise angegriffen werde.«
    Der Mann nickte. Alice machte sich auf den Weg zum Haus.
    Leisha kletterte aus dem Fond des Wagens und holte ihre Schwester ein, kurz bevor diese die Eingangstür aus Plastik erreichte. »Alice, was, zum Geier, hast du denn vor? Ich muß die…«
    »Geht’s ein bißchen leiser?« zischte Alice und warf einen Blick auf den Leibwächter. »Leisha, überleg doch! Dich würde man erkennen, hier, in der Nähe von Chicago! Diese

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