Bettler 01 - Bettler in Spanien
sie um ihr Geld zu bringen; sie bemühte sich, ihre Verachtung zu verbergen und dachte an Tony.
»Na gut«, sagte er, rutschte hinüber und stieg aus dem Fahrerhaus.
»Verriegeln Sie die Tür.«
Er grinste, öffnete die Tür wieder und verriegelte sie. Leisha legte das Geld aufs Dach, riß die Fahrertür auf, kletterte hinein, verriegelte die Tür und schloß das Fenster. Der Farmer lachte. Sie steckte den Schlüssel ins Zündschloß, startete den Motor und fuhr aus dem Parkplatz auf die Straße. Ihre Hände zitterten.
Langsam fuhr sie zweimal um den Block, und als sie zurückkam, war der Mann verschwunden, und der Chauffeur im Luftkissenwagen schlief immer noch. Sie hatte befürchtet, daß der Farmer ihn aus purer Bosheit wecken und ihm alles erzählen würde, aber das hatte er offenbar nicht getan. Sie stellte den Motor ab und wartete.
Anderthalb Stunden später schoben Alice und eine Krankenschwester Stella in einem Rollstuhl aus der Notaufnahme. Leisha sprang aus dem Fahrerhaus, winkte mit beiden Armen und schrie: »Ich komme, Alice!« Es war zu dunkel, um Alices Gesichtsausdruck zu sehen; Leisha konnte nur hoffen, daß Alice angesichts des rostigen Lasters kein Entsetzen erkennen lassen würde oder die Krankenschwester auf ein rotes Auto vorbereitet hatte.
»Das ist Julie Bergadon, eine Freundin. Ich rief sie an, während Sie mit Jordans Arm beschäftigt waren.« Die Schwester nickte desinteressiert. Die beiden Frauen hoben Stella in das Fahrerhaus; es gab keine Rücksitze. Stella hatte den Arm in Gips und wirkte ziemlich benommen.
»Wie hast du das gemacht?« fragte Alice, als sie wegfuhren.
Leisha antwortete nicht. Sie beobachtete einen Luftkissenwagen der Polizei am anderen Ende des Parkplatzes. Zwei Beamte stiegen aus und machten sich festen, zielstrebigen Schritts auf den Weg zu Alices Toyota unter dem mageren Ahornbaum.
»Mein Gott!« sagte Alice. Zum erstenmal klang sie ängstlich.
»Sie werden unsere Fährte nicht verfolgen können«, sagte Leisha. »Nicht bis zu diesem Laster. Verlaß dich drauf.«
»Leisha.« Ein Schuß echte Angst in Alices Stimme. »Stella schläft!«
Leisha warf einen Blick auf das Kind, das an Alices Schulter gesunken war. »Nein, sie schläft nicht. Sie ist bewußtlos von den Medikamenten.«
»Ist das in Ordnung? Normal? Ich meine… für sie?«
»Wir können durchaus das Bewußtsein verlieren. Wir können sogar in künstlich herbeigeführten Schlaf fallen.« Tony und sie und Richard und Jeanine in dem mitternächtlichen Wäldchen… »Hast du das denn nicht gewußt, Alice?«
»Nein.«
»Wir wissen wirklich nicht viel voneinander, wie?«
Schweigend fuhren sie Richtung Süden. Schließlich fragte Alice: »Wo werden wir sie eigentlich hinbringen, Leisha?«
»Ich weiß es nicht. Die Schlaflosen sind wohl die ersten, bei denen die Polizei Nachschau halten wird…«
»Das kannst du nicht riskieren. So, wie die Dinge momentan stehen.« Alice klang abgespannt. »Ich habe alle meine Freunde drüben in Kalifornien. Ich denke nicht, daß wir diese Rostschüssel so weit fahren könnten, ohne angehalten zu werden.«
»Würde ohnedies vorher schon auseinanderfallen.«
»Was machen wir also?«
»Laß mich überlegen.«
An einer Abfahrt von der Schnellstraße befand sich ein Telefon. Es würde klarerweise nicht abhörsicher sein, wie Groupnet. Und Kevins offene Leitung? Angezapft oder nicht? Wahrscheinlich angezapft.
Und die Leitung nach Sanctuary ohne jeden Zweifel angezapft.
Sanctuary. Alle waren entweder im Begriff hinzugehen oder schon dort, hatte Kevin gesagt. Sie zogen sich die müden, ausgelaugten Allegheny Mountains als schützende Decke über die Ohren und verkrochen sich dort wie in einer Höhle. Alle, bis auf Kinder wie Stella, die draußenbleiben mußten.
Wohin nur? Zu wem?
Leisha schloß die Augen. Die Schlaflosen kamen nicht in Frage; innerhalb von Stunden würde die Polizei auf Stella stoßen. Susan Melling? Sie war einst als Leishas Stiefmutter ziemlich im Rampenlicht gestanden und schien in Roger Camdens Testament als eine der Erben auf. Man würde sie als eine der ersten unter die Lupe nehmen. Es durfte auch niemand sein, dessen Verbindung zu Alice sich zurückverfolgen ließ. Es konnte nur ein Schläfer sein, den Leisha kannte und dem sie vertraute – und wo sollte es jemanden geben, auf den das zutraf? Und falls es ihn gab, durfte sie ihm dieses Risiko zumuten?
Sie stand lange in der Telefonzelle, und dann ging sie zum Laster zurück. Alice
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