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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Leute haben eine schlaflose Tochter; sie sehen seit Jahren dein Bild in der Zeitung; sie haben Sendungen mit Holovideos von dir gesehen. Sie kennen dich! Und sie wissen, daß du Anwältin wirst. Mich haben sie noch nie gesehen. Ich bin ein Niemand.«
    »Alice…«
    »Um Himmels willen, geh endlich zurück in den Wagen!« fauchte Alice und trommelte gegen die Haustür.
    Leisha beeilte sich, den Gartenweg zu verlassen, und verzog sich in den dunklen Schutz einer Weide. Ein Mann öffnete die Tür. Sein Gesicht war bar jeden Ausdrucks.
    »Amtliche Kinderfürsorge«, sagte Alice. »Von dieser Nummer aus wurde bei uns angerufen. Ein kleines Mädchen. Lassen Sie mich eintreten.«
    »Hier gibt es kein kleines Mädchen.«
    »Dies ist ein Notfall erster Ordnung«, sagte Alice stoisch. »Paragraph einhundertsechsundachtzig, Gesetz zum Schutz von Minderjährigen. Lassen Sie mich eintreten.«
    Immer noch ohne jeden Ausdruck im Gesicht, warf der Mann einen raschen Blick auf die beeindruckende Gestalt am Wagen. »Haben Sie einen Haussuchungsbefehl?«
    »Bei einem Notfall erster Ordnung, Kinderschutz, brauche ich keinen. Wenn Sie mich nicht einlassen, haben Sie einen Paragraphenfilz am Hals, der sich gewaschen hat.«
    Leisha preßte die Lippen zusammen. Niemand würde das ernstnehmen! Das war nichts als amtlich klingendes Gewäsch… In ihrer Lippe, dort, wo Alice sie getroffen hatte, pulsierte es heftig.
    Der Mann trat zur Seite und machte Alice Platz.
    Der Leibwächter machte sich auf den Weg. Unschlüssig sah Leisha ihm dabei zu, ließ ihn dann aber zusammen mit Alice ins Haus gehen. Allein blieb sie in der Dunkelheit zurück und wartete.
    Nach drei Minuten kamen sie heraus; der Leibwächter trug das Kind. Alices breitflächiges Gesicht glänzte im Schein der Lampe über der Tür. Leisha rannte zum Wagen, öffnete die Tür und half dem Riesen, das Kind im Wagen zu verstauen; er runzelte die Stirn – es war ein argwöhnisches Stirnrunzeln.
    Alice sagte zu ihm: »Hier. Nehmen Sie. Das sind hundert Dollar extra. Fahrgeld, damit Sie allein wieder in die Stadt zurückkommen.«
    »He…!« rief der Leibwächter, aber er steckte das Geld ein. Er blieb stehen und sah ihnen nach, als Alice davonfuhr.
    »Er wird auf direktem Weg zur Polizei gehen«, meinte Leisha verzagt. »Das muß er tun, sonst setzt er seine Mitgliedskarte bei der Gewerkschaft aufs Spiel.«
    »Ich weiß«, sagte Alice. »Aber dann werden wir längst aus dem Wagen sein.«
    »Und wo?«
    »Im Krankenhaus.«
    »Alice, wir können doch nicht…« Leisha brach ab und drehte sich nach hinten um. »Stella? Bist du wach?«
    »Ja«, sagte ein ängstliches Stimmchen.
    Leisha tastete sich an die Innenbeleuchtung im Fond heran. Stella lag ausgestreckt auf den Rücksitzen, das Gesicht vor Schmerz verzerrt. Sie hatte den linken Arm in die Armbeuge des rechten gelegt. Eine blutunterlaufene Stelle über dem linken Auge schimmerte bläulich. Ihr rotes Haar war zerrauft und schmutzig.
    »Du bist Leisha Camden«, sagte das Mädchen und begann zu weinen.
    »Ihr Arm ist gebrochen«, stellte Alice fest.
    »Herzchen, kannst du…« – Leishas Kehle fühlte sich geschwollen an, sie hatte Mühe, die Worte hervorzubringen – »… kannst du es aushalten, bis wir zu einem Arzt kommen?«
    »Ja«, sagte Stella. »Wenn ihr mich bloß nicht mehr dorthin zurückbringt!«
    »Das werden wir nicht tun«, beruhigte Leisha. »Niemals.« Sie warf einen Seitenblick auf Alice und sah Tonys Gesicht.
    »Etwa fünfzehn Kilometer südlich von hier ist eine Gemeindeklinik«, sagte Alice.
    »Woher weißt du das?«
    »Ich war mal dort. Überdosis«, antwortete Alice kurz angebunden. Sie fuhr dicht über das Lenkrad gebeugt und machte dabei ein Gesicht wie jemand, der intensiv nachdachte. Auch Leisha dachte intensiv nach; sie zerbrach sich den Kopf, wie man in diesem Fall um eine Anklage wegen Entführung herumkam; sie konnten schlecht behaupten, daß das Kind freiwillig mitgekommen war. Stella würde das zwar gern bestätigen wollen, aber in ihrem Alter und bei ihrem Zustand war sie wohl non sui juris, und ihrem Wort würde keine rechtliche Bedeutung beigemessen werden…
    »Alice, wir können sie doch ohne Krankenversicherungsdaten nicht in die Klinik bringen; und die sind über Computer jederzeit überprüfbar.«
    »Hör mal«, sagte Alice, nicht zu Leisha, sondern nach hinten, über ihre Schulter, »wir werden das so machen, Stella. Ich werde ihnen sagen, du bist meine Tochter. Wir haben auf einem Rastplatz

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