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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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interpretierte Leishas Worte absichtlich falsch und drehte sie von einer inständigen Beschwörung zu einer Drohung, so daß er einen Streit haben konnte, statt einer Diskussion. Deshalb also hatte er ihr erlaubt, in eine Wir schlafen! -Fabrik zu kommen! Er gierte nach dem billigen Nervenkitzel einer Konfrontation von Angesicht zu Angesicht! Der bettelarme Anführer einer landesweiten politischen Bewegung legt sich mit der großmächtigen Schlaflosen-Anwältin an… Jordan verspürte Enttäuschung; Hawke stand doch über solchen Dingen!
    Hawke mußte einfach über solchen Dingen stehen.
    »Natürlich drohe ich Ihnen nicht, Mister Hawke, das wissen Sie ganz genau«, sagte Leisha. »Ich versuche nur darauf hinzuweisen, daß Ihre Wir schlafen! -Organisation für das Land und für Sie alle eine Gefahr darstellt. Und tun Sie nicht so, als ob Sie nicht begreifen würden, was ich meine.«
    Hawke fuhr zwar unbeirrt fort, milde zu lächeln, aber es entging Jordan nicht, daß ein winziger Muskel an seinem Hals, direkt über einem gelben Wolfszahn, rhythmisch zu zucken begonnen hatte.
    »Wie könnte ich je umhin, das nicht zu begreifen, Miss Camden? Seit Jahren hacken Sie doch in der Presse auf diesem einen Thema herum!«
    »Und ich werde nicht aufhören damit, denn egal, was Schläfer und Schlaflose weiter auseinandertreibt, es ist letzten Endes schlecht für beide Seiten. Ihre Abnehmerschicht kauft diese Roller nicht deshalb, weil sie gut sind, nicht, weil sie billig sind, und auch nicht, weil sie so schön sind. Ihre Roller werden deshalb gekauft, weil sie von Schläfern hergestellt werden und weil die Gewinne aus ihrer Herstellung nur den Schläfern zugute kommen. Sie und Ihre Nachahmer in anderen Industriezweigen entzweien das Land in wirtschaftlicher Hinsicht, Mister Hawke, indem Sie eine Parallelwirtschaft erzeugen, die sich auf nichts als Haß gründet. Und das gefährdet uns alle.«
    »Doch ganz besonders gefährdet es die wirtschaftlichen Interessen der Schlaflosen, nicht wahr?« fragte Hawke in höflich anteilnehmendem Tonfall. Jordan sah, daß er dachte, er hätte durch Leishas plötzlichen Gefühlsausbruch an Terrain gewonnen.
    »Nein«, seufzte Leisha leicht ermüdet. »Kommen Sie, Mister Hawke, Sie sind doch nicht dumm. Sie wissen genau, daß die wirtschaftlichen Interessen der Schlaflosen in erster Linie international ausgerichtet sind und sich im besonderen auf die eingehende Kenntnis der Finanzmärkte und der Hochtechnik gründen. Man könnte jedes Fahrzeug, jedes Gebäude, jedes Kinkerlitzchen in Amerika fabrizieren, ohne deren Interessen zu berühren!«
    Deren, dachte Jordan. Nicht unsere. Er hätte gern gewußt, ob Hawke es bemerkt hatte.
    Hawke aber sagte mit samtweicher Stimme: »Warum sind Sie dann hierhergekommen, Miss Camden?«
    »Aus demselben Grund, weswegen ich nach Sanctuary gehe. Um gegen die Dummheit zu kämpfen.«
    Der winzige Muskel an Hawkes Hals zuckte rascher; Jordan merkte, daß er nicht erwartet hatte, von Leisha mit Sanctuary, dem Todfeind, verglichen zu werden. Hawke beugte sich über den Schreibtisch und drückte auf einen Knopf. Was Leishas Leibwächter umgehend in Alarm versetzte. Hawke warf ihnen einen verächtlichen Seitenblick zu: Verräter an ihrer eigenen biologischen Zugehörigkeit. Die Tür des Büros ging auf, und eine junge Schwarze trat ein; sie sah verlegen drein.
    »Hawke? Coltrane sagt, ihr Leute wollt mich was fragen?«
    »Ja, Tina. Danke, daß du gekommen bist. Diese Dame da interessiert sich für unsere Fabrik. Könntest du ihr vielleicht ein bißchen von deiner Arbeit hier erzählen?«
    Gehorsam und ohne zu erkennen, mit wem sie es zu tun hatte, wandte sie Leisha das Gesicht zu. »Ich arbeite auf Station neun«, sagte sie. »Vorher hatte ich nichts. Daheim hatten wir nichts. Gingen bloß zur Ausgabestelle, holten das Futter, brachten’s heim, aßen’s auf. Warteten bloß aufs Verrecken.« Sie fuhr fort, eine Geschichte zu erzählen, die in Jordans Ohren inzwischen sehr bekannt klang; nur Tinas etwas melodramatische Art, sie zu erzählen, machte einen gewissen Unterschied zu anderen, fast identischen Berichten aus. Was zweifellos der Grund war, daß Hawke Tina bereitgehalten hatte. Ausreichend ernährt, ein Dach über dem Kopf, billige Kleider auf dem Leib – alles dank der Allgemeinen Wohlfahrt – waren sie alle absolut unfähig, sich über dieses materielle Niveau hinauszukämpfen. Bis Calvin Hawke und die Wir schlafen! -Bewegung ihnen Arbeitsplätze boten, die

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