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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Leibwächter bildeten augenblicklich eine Mauer und schirmten Leisha mit gezogenen Pistolen ab. Aber die Eindringlinge mußten das erwartet haben: Sie schwangen keine Waffen, sondern Kameras und begannen zu filmen. Da sie nichts anderes sehen konnten als die Phalanx der Leibwächter, filmten sie diese. Das wiederum verwirrte die Leibwächter, die einander ratlose Blicke zuwarfen. Doch nur Jordan, der sich in einen Winkel zurückgezogen hatte, sah das unvermittelte verräterische Aufleuchten einer optischen Platte hoch oben an der Wand – in einem Raum, von dem weit und breit behauptet wurde, es befänden sich keinerlei Überwachungsgeräte darin.
    »Raus!« stieß der Oberleibwächter, oder wie immer er bezeichnet wurde, zwischen den Zähnen hervor. Das Filmteam trottete folgsam zur Tür hinaus. Und niemand außer Jordan hatte Hawkes Kamera bemerkt.
    Wozu? Was wollte Hawke mit einem heimlich aufgenommenen Foto anfangen, von dem er behaupten konnte, es stamme von einem normalen Filmteam? Und sollte Jordan seiner Tante sagen, daß Hawke nun über dieses Foto verfügte? Konnte es ihr schaden?
    Hawke beobachtete Jordan bereits seit einer Weile; er nickte ihm einmal zu, mit solcher Wärme in den Augen, mit soviel sensiblem Verständnis für Jordans Dilemma, daß dieser sich sofort wieder beruhigte. Nein, Hawke wollte Leisha nicht schaden. Das war nicht seine Vorgangsweise. Er hatte Großes im Sinn, er hatte radikale Ziele, rechtschaffene Ziele, aber diese Ziele achteten das Individuum – etwas, das keinem Schlaflosen außer Leisha je in den Sinn zu kommen schien. Egal, was die Geschichtsbücher für unverzichtbare Voraussetzung hielten, Hawke jedenfalls zerschlug keine individuellen Eier, um seine Revolution zu braten.
    Jordan regte sich wieder ab.
    Hawke sagte: »Tut mir leid, Miss Camden.«
    Leisha sah ihn mit kalter Miene an. »Ist ja nichts passiert, Mister Hawke.« Nach einer Sekunde ergänzte sie pointiert: »Oder doch?«
    »Nein. Darf ich Ihnen jetzt eine kleine Erinnerung an Ihren Besuch hier bei uns überreichen?«
    »Eine…«
    »Eine Erinnerung.« Aus einem Schrank – die Leibwächter richteten sich bereits wieder wachsam aufholte Hawke einen Wir schlafen! -Roller. »Damit fahren Sie sicherlich nicht so flott oder so weit oder so problemlos wie mit dem, den Sie gewiß bereits haben – falls Sie überhaupt je einen Roller anstelle eines Straßenwagens verwenden, wie es mehr als fünfzig Prozent der Bevölkerung tun müssen.«
    Und jetzt hatte Leisha, wie Jordan deutlich erkennen konnte, endgültig die Geduld verloren. Sie stieß die Luft zwischen den Zähnen aus, was ein unstetes Pfeifen verursachte. »Nein, vielen Dank, Mister Hawke. Ich fahre einen Kessler-Eagle. Ein qualitativ hochstehender Roller, der, wie ich höre, in einer Fabrik in New Mexico hergestellt wird, die sich im Eigentum von indianischen Schläfern befindet. Sie geben sich allergrößte Mühe, ein erstklassiges Produkt zu einem gerechten Preis in den Handel zu bringen, aber natürlich verkörpern sie eine Minderheit ohne einen automatisch funktionierenden, geschützten Absatzmarkt. Es sind Hopi, glaube ich.«
    Jordan wagte nicht, Hawke ins Gesicht zu sehen.
     
    Bevor sie in den Wagen stieg, sagte Leisha zu Jordan: »Dieser letzte Seitenhieb tut mir leid.«
    »Das braucht es nicht«, sagte Jordan.
    »Deinetwegen tut’s mir leid. Ich weiß, du glaubst an das, was du hier machst, Jordan…«
    »Ja«, unterbrach Jordan sie mit ruhiger Stimme. »Ja, ich glaube daran. Trotz allem.«
    »Wenn du das so sagst, siehst du drein wie deine Mutter.«
    Was man von Leisha nicht behaupten konnte, dachte Jordan und fühlte sich augenblicklich unfair seiner Mutter gegenüber. Aber es war die Wahrheit. Alice sah älter aus als dreiundvierzig, Leisha viel jünger. Nicht das Welken des Gewebes, sondern nur die Schwerkraft konnte in diesem feingeschnittenen Gesicht etwas wie einen Alterungsprozeß bewirken. Sollte sie dann nicht eigentlich aussehen wie einundzwanzigeinhalb? Entsprechend dem halben Alterungsprozeß? Doch das tat sie nicht; sie sah aus wie dreißig und würde offenbar immer so aussehen – wie wunderschöne, kerngesunde dreißig. Die feinen Linien um ihre Augen wirkten eher wie das zarte Netz eines Mikroschaltkreises denn wie schlaffe Rinnen.
    »Wie geht’s deiner Mutter?« fragte Leisha.
    Jordan hörte den ganzen Wust dieser komplizierten Beziehung aus der Frage heraus, aber er fühlte sich nicht in der Lage, sich jetzt damit herumzuschlagen.

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