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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Gesichtsausdruck nicht erkennen. Er hatte ihre älteste Tochter einmal gesehen, ein scheues Mädchen mit dem gleichen Struwelkopf und der gleichen dürren Gestalt wie ihre Mutter. RoboTech-Schule. Hakenwürmer. Jobs.
    Jordan drehte sich um und trottete zurück zum Tor der Rollerfabrik. Mayleen öffnete es ihm, und er trat hindurch.
     
    Susan Mellings faltiges Gesicht auf dem Bildschirm wurde nicht umrahmt von ihrem Arbeitszimmer in der Wüste von New Mexico, sondern von einem Laboratorium, in dem sich Terminals, Geräte, Kunststoffgefäße und Roboterarme den Platz streitig machten.
    »Susan, wo bist du?« fragte Leisha.
    »An der Medizinischen Fakultät in Chicago«, sagte Susan mit spröder Stimme. »Abteilung Forschung. Man hat mir ein Gastlabor zugeteilt.« Die tiefen Linien in ihrem Gesicht spannten sich vor freudiger Erregung.
    »Du arbeitest an…«, begann Leisha langsam.
    »Ja«, unterbrach Susan sie. »An diesem genetischen Problem, über das wir in New Mexico sprachen. Dasjenige, das die Medizinische Fakultät der Geheimhaltungspflicht unterworfen hat.«
    Da wußte Susan, daß das ComLink nicht abgeschirmt war. Oder zumindest nicht ausreichend abgeschirmt. Sie unterdrückte ein lautes Auflachen: was hieß unter den gegenwärtigen Umständen »ausreichend«?
    »Ich wollte dir nur sagen«, fuhr Susan fort, »daß wir begonnen haben und daß mein hochverehrter chinesischer Kollege gut hier angekommen ist und mir zur Seite steht.«
    Ein chinesischer Kollege? Susan starrte sie unverwandt und vielsagend an. Da erinnerte sich Leisha plötzlich, daß Claude Gaspard-Thiereux’ überragende Intelligenz das Produkt einer Genmodifikation war, und daß er Susan einst im Verlauf einer feuchtfröhlichen Party erzählt hatte, daß das genetische Material, das in das seine eingepflanzt worden war, von einem chinesischen Spender stammte. Dieser Umstand hatte ihn aus einem unerfindlichen Grund fasziniert, und er begann Imitationen von Mingvasen und Holobilder der Verbotenen Stadt zu sammeln – ein Umstand, der wiederum Susan faszinierte. Leisha hatte der ganzen Sache keine Bedeutung beigemessen, aber offenbar erwartete Susan von ihr, daß sie sich jetzt daran erinnerte.
    Gaspard-Thiereux an der Medizinischen Hochschule in Chicago. Er wäre wohl nicht von Paris herübergeflogen, wenn Susan es nicht verstanden hätte, ihn von der praktischen Umsetzung der Walcottschen Theorien zu überzeugen.
    »Wir haben uns bereits durch den ersten Teil des Problems hindurchgearbeitet«, erklärte Susan in sachlichem Tonfall, »und frühere Versuche auf demselben Gebiet wiederholt, doch jetzt sind wir auf Schwierigkeiten gestoßen. Aber wir arbeiten daran und werden dich auf dem laufenden halten. Wir haben uns entschlossen, Mister Wongs Erkenntnisse nicht am Anfang, sondern am Schluß des Problems einzusetzen, denn dort klafft, wie wir wissen, die größte Lücke.«
    Susan genoß das Ganze! Nicht nur die Forschungstätigkeit, sondern im besonderen die Pseudogeheimnistuerei, die theatralischen Codewörter. Ihre Stimme flatterte vor Eifer. Wenn Leisha die Augen schloß, sah sie die Susan vor sich, die sie vor vierzig Jahren gekannt hatte, als sie mit unerschöpflicher Energie und schwingenden Stirnfransen zwei kleine Mädchen durch die kontrollierten Denk›spiele‹ geführt hatte. Ein plötzlicher Anfall von Zärtlichkeit raubte Leisha fast die Luft.
    Nur um irgend etwas zu sagen, sagte sie: »Beim Ende beginnen? Das hört sich an, als würde man bei einer Verhandlung das Urteil als Beweis einsetzen und nicht die Zeugenaussagen.«
    »Kein zutreffender Vergleich!« zwitscherte Susan glücklich. Mit weicherer Stimme fragte sie: »Wie steht es denn um dich, Leisha?«
    »Der Prozeß beginnt nächste Woche«, sagte Leisha, als wäre das die ganze Antwort auf Susans Frage. Was zutraf.
    »Und Richard, ist er immer noch…«
    »Unverändert«, sagte Leisha.
    »Und Kevin…«
    »Er kommt nicht mehr.«
    »Verdammter Idiot.«
    Aber Leisha wollte nicht über Kevin reden. Was sie an seiner feigen Flucht am meisten schmerzte, war der Umstand, daß Kevin die Schlaflosen als Gemeinschaft verraten hatte, nicht bloß Leisha als Person. Hieß das, daß es für sie keine spontane, persönliche Liebe mehr geben konnte – daß jede Liebe gezwungenermaßen von allerlei sachlichen Erwägungen überschattet sein mußte? Die Frage beunruhigte sie.
    »Susan, weißt du, was mir gestern aufgefallen ist? Daß es auf der ganzen Welt nur drei Menschen gibt, die

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