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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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verstehen, warum ich gegen eine Schlaflose aussagen werde, gegen jemanden, wie die Presse sagt, meines ›eigenen Klüngels‹. Nur drei. Dich und Richard und… Papa.«
    »O ja«, sagte Susan. »Roger war nie der Ansicht, daß die Solidarität gegenüber der eigenen Gesellschaftsklasse Vorrang vor der Wahrheit hatte. Er hat überhaupt nie Solidarität gegenüber irgendeiner Gesellschaftsklasse empfunden, Punktum. Er betrachtete sich als einziges Mitglied seiner Klasse. Aber es gibt ganz sicher mehr als drei, Leisha. Auf der ganzen Welt.«
    Leisha sah sich im Zimmer um und ließ den Blick über die Zeitungsausdrucke wandern, die sich auf dem Schreibtisch, dem Boden, dem Sessel stapelten; ihre Einstellung dazu hatte sich gewandelt: von der Unfähigkeit, sie zu lesen, zur Unfähigkeit, sie nicht zu lesen.
    »Ich habe nicht das Gefühl, daß es mehr als drei sind.«
    »Ah ja«, sagte Susan. Es klang genauso wie bei Alice; noch nie zuvor war Leisha diese Übereinstimmung aufgefallen. »Weißt du, daß im statistischen Jahrbuch der Vereinigten Staaten die offizielle Anzahl von in vitro -Genmodifizierungen zur Produktion von Schlaflosenbabies mit einhundertzweiundvierzig angegeben wird?«
    »Das ist alles?«
    »Gegenüber Tausenden vor zehn Jahren. Verantwortungsvolle und weiterdenkende Eltern wollen ihre zukünftigen Kinder nicht den Gefahren und der Diskriminierung aussetzen. Aber wenn die Forschungen deines Doktor Walcott…« Sie ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen.
    »Nicht meines«, entgegnete Leisha. »Definitiv nicht meines!«
    »Ah ja«, sagte Susan wieder, und es klang wie ein vielschichtiger Seufzer.

 
    13
     
    »Das Volk gegen Jennifer Fatima Sharifi. Erheben Sie sich von den Sitzen.«
    Leisha, die auf der Zeugenbank saß, erhob sich. Einhundertzweiundsechzig Menschen – Zuschauer, Geschworene, Reporter, Zeugen und Anwälte – erhoben sich mit ihr, ein Körper mit einhundertdreiundsechzig Gehirnen, die alle miteinander im Widerstreit standen. Sicherheitsschilde aus Energiefeldern umhüllten den Gerichtssaal, das Gerichtsgebäude und die Stadt Conewango wie übereinandergezogene Handschuhe, deren zwei dichteste Schichten nicht einmal von Kommunikationseinrichtungen durchdrungen werden konnten. Fünfzehn Jahre zuvor hatte der Staat New York in einer von unzähligen periodischen Pendelbewegungen der Gerichtsordnung zwischen dem Recht der Öffentlichkeit auf Information und dem Recht des Individuums auf Privatsphäre wieder einmal entschieden, daß die Verwendung von Aufnahmegeräten bei Strafprozessen unzulässig und daher untersagt war. Die Reporter waren alle staatlich konzessionierte Berichterstatter – entweder verfügten sie über die Fähigkeit zur Erzeugung wahrnehmungsnaher Anschauungsbilder oder über Bioimplantate zur Verstärkung und Verfeinerung des Hörnervs oder über beides. Leisha fragte sich spöttisch, wie viele von ihnen wohl darüber hinaus auch über unerwähnte Genmodifizierungen verfügten.
    Neben den Reportern hielten die Holokünstler der Nachrichtennetze ihre computerunterstützten Zeichengeräte auf den Knien, und die fast unmerklichen Bewegungen ihrer Finger formten die Hologramme für die nachmittägliche Aktualitätenschau. Noch war der Sitz des Gens für künstlerische Begabung nicht identifiziert.
    »Hört, hört, hört«, ließ sich der Gerichtsdiener vernehmen. »Der unabhängige Gerichtshof des Bezirks Cattaraugus im Staate New York beginnt mit der Verhandlung. Den Vorsitz führt der Ehrenwerte Richter Daniel J. Deepford. Bringt euer Begehren vor, und ihr werdet gehört werden. Gott schütze die Vereinigten Staaten und dieses ehrenwerte Gericht!«
    Leisha fragte sich, ob nur sie allein das fieberhaft erregte Ausrufungszeichen gehört hatte.
    Es war der erste Tag der Zeugenaussagen. Zweieinhalb Wochen unausgesetzter Vernehmungen waren nötig gewesen, um zwölf für alle akzeptable Geschworene aus der Liste auszuwählen: Mrs. Wright, glauben Sie, sich eine unvoreingenommene Meinung über die Angeklagte bilden zu können? Mister Aratina, sind Ihnen Berichte über diesen Fall aus den Nachrichtenmedien bekannt? Miss Moranis, sind Sie Mitglied der Vereinigung Wir schlafen!? Von Wach auf, Amerika!? Vom Verein Mütter kämpfen für biologische Gleichheit? Dreihundertneunundachtzig Abweisungen wegen Befangenheit, eine unvorstellbare Zahl bei jeder anderen Geschworenenbefragung. Nun bestand die Jury aus acht Männern und vier Frauen. Sieben Weiße, drei Schwarze, ein Asiate,

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