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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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mit Doug Kanes Gewehr dorthin kam, da war schon wer vor mir dagewesen. Der Schnee war blutbespritzt, und ‘n zerstückelter Kadaver lag am Flußufer. Hing noch viel Fleisch in Fetzen dran, weil wer zu faul oder zu dusselig gewesen war, ihn ordentlich zu zerlegen. Scheißkerle machten sich nich’ mal die Mühe, den Kadaver vom Wasser wegzuziehen.
    Also marschierte ich ‘n Stückchen weiter. Es schneite, aber nich’ viel. Der Boden knirschte unter meinen Stiefeln, un’ ich blies Dampfwolken vor mir her. Der Rücken tat mir weh un’ die Knie auch, un’ ich versuchte nich’ mal, so zu gehen, daß man’s nich’ hören konnte. »Geh nich’ allein, du!« hatte Annie gesagt, aber ich wollte nich’, daß Lizzie allein daheimblieb. Un’ die Frau Doktor Turner wollte ich schon gar nich’ mithaben. Die wohnte jetz’ bei uns, un’ das war vielleicht gar nich’ so übel, weil Macher, die kennen so viele Sachen, von denen man nichts weiß, bis man sie mal braucht, wie damals, letzten Sommer, das Medikament für Lizzie. Aber die Turner war ‘ne Stadtfrau, un’ das hätte das Wild abgeschreckt, wenn sie so durchs Unterholz trampelte wie ‘n Elefant oder ‘n Lindwurm oder ‘n anderes von diesen Monstern aus alten Zeiten. Ich mußte heute was schießen. Wir brauchten das Fleisch, das brauchten wir dringend.
    In ‘ner einzigen Woche hatten wir unsere ganzen Vorräte aufgegessen. In ‘ner einzigen lausigen Woche!
    Un’ aus Albany kam nichts mehr, nich’ mit der Bahn, nich’ mit dem Flugzeug, nich’ mit dem Gravschlitten. Die Leute brachen in die Cafeteria ein, in die Küche, wo Annie Apfelpudding fürs Transportband gekocht hatte, aber es war nichts mehr da.
    Ich wanderte weiter flußaufwärts. Als ich noch ‘n Junge war, da war ich ganz wild drauf, mich zur Winterszeit im Wald rumzutreiben. Aber da saß mir nich’ die Angst in allen Knochen. Da war ich nich’‘n alter Knacker mit ‘nem schmerzenden Kreuz, der wo immerzu dran denken mußte, daß Lizzies große dunkle Augen auch mal hungrig dreinschauen könnten. Un’ das würd’ ich nich’ ertragen. Nie.
    Lizzie. Hungrig…
    Als ich mich auf’n Weg aus der Stadt gemacht hatte, waren die Leute grade in die Cafeteria gerannt. Irgendwas war im Gange, keine Ahnung, was. Wollte es auch nich’ wissen. Wollte einfach nur, daß Lizzie nie Hunger leiden mußte.
    Un’ da gab’s nur zwei Möglichkeiten für mich. Entweder im Wald auf die Jagd nach was Eßbarem gehen. Oder Lizzie un’ Annie nach Eden bringen. Hatte es gefunden, ich, grade bevor die Gravbahn zum letztenmal den Geist aufgab. Da stieß ich im Wald auf dieses Mädchen mit dem großen Kopf, un’ ich folgte ihr, un’ sie hatte nichts dagegen, daß ich ihr folgte. Ich sah zu, wie ‘n Tor in der Bergflanke aufging, wo überhaupt kein Tor sein konnte, un’ sie stieg durch, un’ das Tor ging wieder zu, als wär’s überhaupt nie dagewesen. Doch noch ehe es zuging, drehte das Schlaflosenmädel sich um, drehte sich zu mir um un’ sah mich an. »Bringen Sie niemanden sonst hierher, Mister Washington, außer es läßt sich wirklich nicht vermeiden. Wir sind noch nicht bereit für Sie alle.«
    Das waren die schaurigsten Worte, wo mir je zu Ohren kamen.
    Bereit für uns alle – wofür?
    Aber Annie un’ Lizzie, die würd’ ich hinbringen, wenn’s nich’ anders ging. Wenn sie zuviel Hunger litten. Wenn ich nirgendwo was zu essen auftreiben konnte.
    Ich kam zu ‘ner Stelle, wo im letzten Juni ‘ne Menge Hundszahn gewachsen war. Ließ mich auf die Knie nieder, un’ da hätte ich aufheulen können vor Schmerzen, aber ‘s war mir egal. Buddelte alle Hundszahnzwiebeln aus, wo ich finden konnte, un’ stopfte sie in die Jackentaschen. Man kann sie rösten. In meinen Taschen hatte ich schon Eicheln, die man zu Mehl zerstampfen kann – is’‘ne arge Plackerei –, un’ Hickoryzweige zum Auskochen anstelle von Salz.
    Un’ dann setzte ich mich auf ‘nen Stein un’ wartete. Hielt so still, wie ich konnte. Die Knie taten mir höllisch weh. Un’ so wartete ich eben.
    ‘n Kaninchen kam aus’m Unterholz, kam einfach am anderen Flußufer raus, als wär’s daheim dort. Sah sich kaum um. Aber ‘n Karnickel gibt nich’ viel zu beißen un’ kostet ‘ne Kugel. Andererseits war mir schon so kalt, daß ich wußte, bald würde ich zu zittern anfangen un’ gar nichts mehr treffen.
    Kugel oder Karnickel? Alter Esel, kannst dich nich’ entscheiden!
    Da sah ich Lizzies hungrige Augen vor mir.
    Sachte,

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