Bettler 02 - Bettler und Sucher
ganze Zeit den jungen Tech angestarrt und sie nicht eintreten hören. Er wohl auch nicht, davon war ich überzeugt.
Hubbley sagte: »Dieser Junge da ist ein Verräter. Arbeitet in einer GenMod-Klinik. Also wird er auch sterben wie ein Verräter. Und ihr alle da draußen, ihr solltet daran denken, daß er nicht der einzige bleibt – heute, morgen oder übermorgen. Abby?«
Abigail trat aus der Menge hervor. Sie trug einen unauffälligen grauen Kanister, nicht größer als ihre geschlossene Faust.
»Abby«, sagte Hubbley, »was machte General Marion mit Gütern, die er vom Feind konfisziert hatte?«
Sie drehte sich um und sprach direkt in die RoboKamera. »Jede eiserne Säge, die der Brigade in die Hände fiel, wurde zu einem Schwert gehämmert.«
»Das ist genau richtig. Und das hier…« – er hob den Behälter hoch über seinen Kopf – »ist eine Säge. Wurde nicht einmal in irgendeinem illegalen Gen-Labor zusammengebraut, sondern kommt vom größten Verräter von allen: von der sogenannten Regierung der Vereinigten Staaten.« Er drehte den Behälter herum. Die Beschriftung lautete: EIGENTUM DER U.S.-ARMY. STRENG GEHEIM! VORSICHT, GEFÄHRLICH!
Ich glaubte es einfach nicht. Hubbley hatte die Worte gewiß selbst draufgepinselt! Ich glaubte es nicht, und ich wußte noch gar nicht, was in dem Behälter war. Dieser Pöbelhaufen selbsternannter Revolutionäre hatte bloß Illusionen, Träume, theatralische Wünsche… Ich glaubte es einfach nicht!
Das Gitterwerk in meinem Kopf seufzte, als würde Wind hindurchstöhnen.
»Okay, Abby«, sagte Hubbley, »tu es!«
Abby wandte mir den Rücken zu, und so konnte ich nicht sehen, was sie tat. Das Schimmern eines Hochleistungs-Y-Energie-Schildes, einer auf dem Boden aufsitzenden Halbkugel mit einem Durchmesser von zwei Metern, erschien rund um den nackten Tech. Der Behälter befand sich im Innern der schimmernden Halbkugel.
Der Junge stand doch nicht unter Drogen, denn er begann augenblicklich zu schreien. Das Geräusch drang zwar nicht durch den Schild, der von jener Sorte war, die nicht einmal Luft durchließ, aber der Junge trommelte mit den Fäusten an sein Inneres, die Augen vor Todesangst weit aufgerissen und der Mund eine klaffende rosafarbene Höhle. Er hatte feine Härchen, weich wie der Flaum eines kleinen Vogels im Nest, auf der Oberlippe und kaum mehr davon in der Schamgegend.
Jimmy Hubbley sah entrüstet drein. »Da lebt er, verursacht Tod und Verderben, und dann kann er nicht einmal sterben wie ein Mann! Tu’s schon, Abby!«
Was Abby auch tun sollte, ich sah es nicht. Nur, daß der graue Behälter unter dem Schild kurz aufleuchtete und dann zu einer grauen Pfütze zerfloß.
»Das da ist die eiserne Säge, die ihr gemacht habt, um uns damit zu zerschneiden!« sagte Hubbley. »Aber wir haben ein Schwert daraus gefertigt! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen – Matthäus 26, Vers 52. Ihr wißt ja schon alle, was das hier bewirkt. Aber für die, welche es nicht wissen…« – er sah mich an –, »wiederhole ich es. Das hier ist eine von euren eigenen GenMod-Perversionen. Sie zerlegt die Zellwände der Zellen von lebendigen Menschenwesen. So wie von diesem hier.«
Der Junge hatte aufgehört, gegen den Schild zu hämmern. Er schrie immer noch, aber sein Mund veränderte die Form. Er löste sich auf. Es sah nicht so aus, als hätte jemand Säure über ihn gegossen – ich hatte das einmal gesehen, zu einer Zeit, als Leisha mich noch nicht aufgenommen hatte. Säure frißt das Fleisch auf. Aber das Fleisch dieses Jungen hier wurde nicht weggefressen, sondern es brach auf, wie Eis im Frühjahr. Hautstücke fielen auf den Boden und entblößten rotes Fleisch, und dann fielen auch Stücke davon herab. Er schrie weiter – schrie, schrie, schrie, während er zerfiel. Ich spürte, wie sich mir der Magen umdrehte, und die Formen in meinem Kopf drehten sich auch um, drehten sich rund um das immer noch geschlossene Gitterwerk.
Der Junge brauchte fast drei Minuten, um zu sterben.
Ganz leise sagte Hubbley: »General Marion beendete seine Ansprache bei Lynche’s Creek wie folgt: ›Gott der Allmächtige ist mein Zeuge, ich würde lieber tausend Tode sterben, und ich würde sie frohen Herzens lieber sterben, als mein geliebtes Land in einem solchen Zustand der Würdelosigkeit und des Elends zu sehen. ‹ Gott der Allmächtige ist auch mein Zeuge, ihr Zuschauer.« Seine blassen Augen in dem knochigen, sonnenverbrannten Gesicht blickten
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