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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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kennengelernt. Er starb, als ich Jura studierte. Ich habe ihn angebetet. Er war der starrsinnigste Mensch, der mir je unterkam. Bis ich Miri kennenlernte, jedenfalls.«
    Da waren sie wieder, die stachligen Schmerz-Formen. Als Miri vor dreizehn Jahren von Sanctuary herunterkam, da kam sie zu Leisha Camden, der einzigen Schlaflosen, die weder finanzielle noch moralische Bindungen zu Miris Horror-Großmutter hatte. Miri suchte Hilfe bei Leisha, um ein neues Leben beginnen zu können. So wie ich einst, vor langer Zeit.
    »Mein Vater war starrsinnig, großzügig und davon überzeugt, daß er immer recht hatte«, fuhr Leisha fort. »Die Energie, die in ihm steckte, schien grenzenlos zu sein. Er verfügte über unglaubliche Selbstdisziplin, ein geradezu manisches Vertrauen auf die Kraft seines Willens und er verfolgte seine Ziele mit zwanghafter Unbeirrbarkeit. Er war bereit, jede Regel zu brechen, die ihm im Weg stand, aber er war kein Tyrann. Er war einfach nur unerbittlich. Klingt das vielleicht nach irgend jemandem, den du kennst? Klingt das etwa nach Miri?«
    »Allerdings«, sagte ich. Wo sie nur immer all diese Wörter herkriegen, Leisha und Miri und die anderen! Aber die Wörter paßten. »Ja, es klingt nach Miranda.«
    »Und noch etwas über meinen Vater«, sagte Leisha und sah mir in die Augen. »Er nutzte seine Umgebung ab. Sein Verschleiß umfaßte zwei Ehefrauen, eine Tochter, vier Geschäftspartner und schließlich sein eigenes Herz. Es waren simple Abnutzungsvorgänge. Er war imstande, das zu zerstören, was er leidenschaftlich liebte, indem er seine eigenen unmöglichen Standards anlegte, um es zu vervollkommnen.«
    Ich stellte die Tasse hin.
    Leisha stützte sich wiederum auf den Tisch und beugte sich vor. »Drew, ich frage dich zum letztenmal: Was macht Miri in Huevos Verdes? Du mußt mich verstehen, ich habe Angst um sie. Denn in einer maßgeblichen Eigenschaft ist Miri nicht wie mein Vater: sie ist keine Einzelgängerin. So wie sie aufgewachsen ist, auf Sanctuary und mit Jennifer Sharifi als Großmutter, braucht sie die Gemeinschaft wie die Luft zum Atmen. Aber vielleicht ist es gar nicht das… Jedenfalls sehnt sie sich so innig nach Zugehörigkeit, wie es nur ein Außenseiter imstande ist. Und sie gehört nirgendwo dazu, das weiß sie. Sie hat ihre Großmutter und den Kreis, den Jennifer um sich geschart hatte, ins Gefängnis gebracht, und so haben die Schlaflosen sie ausgegrenzt. Die Macher können Miri aus Prinzip nicht akzeptieren; sie ist ihnen so turmhoch überlegen, daß sie sie als Bedrohung empfinden. Und die Vorstellung, sie könnte versuchen, mit Nutzern gesellschaftlichen Umgang zu pflegen, ist absurd. Da gibt es keine gemeinsame Sprache, keine gemeinsame Basis.«
    Ich blickte angestrengt zum Fenster hinaus auf die Wüste. Dieses kristallklare Licht sieht man nirgendwo sonst. Wie die Luft ist auch das Licht fast greifbar und zugleich völlig transparent.
    »Alles, was Miri außer dir hat, sind sechsundzwanzig andere SuperSchlaflose. Und damit hat es sich. Weißt du, wie ein Revolutionär entsteht, Drew? Wenn ein Außenseiter nach drinnen blickt und den idealistischen Wunsch hegt, die eine wahre, echte Gemeinschaft zu schaffen und daran glaubt, daß er es kann. Idealisten, die sich drinnen befinden, werden keine Revolutionäre, sondern Reformer. Wie ich. Reformer finden, daß gewisse Dinge verbessert werden müßten, daß aber die grundlegende Konstruktion in Ordnung ist. Revolutionäre finden, es müßte alles niedergerissen werden, um einen echten Neubeginn herbeizuführen. Miri ist eine Revolutionärin. Eine Revolutionärin mit superintelligentem Gefolge, unvorstellbaren Techniken, unerschöpflichen Geldquellen und leidenschaftlich verfolgten Idealen. Wunderst du dich, wenn ich Angst um sie habe? Also: was tun diese Leute dort auf Huevos Verdes?«
    Ich konnte Leisha nicht in die Augen sehen. So viele Worte strömten aus ihr heraus, so viele Ausführungen, so viele komplizierte Definitionen. Die Formen in meinem Kopf waren dunkel, verworren und wütend und zogen Seile hinter sich her, so hart wie Stahl. Aber es waren nicht Leishas Formen. Es waren meine.
    »Drew«, sagte Leisha sanft und leise – die Außenseiterin, die mich flehentlich um etwas bat, »bitte sag mir, was sie dort macht.«
    »Ich weiß es nicht«, log ich.
     
    Zwei Tage später saß ich in einem Gleitboot, das über das offene Meer auf Huevos Verdes zuraste. Blendender Sonnenschein legte sich über den Golf von Mexiko. Mein

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