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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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beschaffenen Plätzen der Seele öffneten. Ich war der einzige Mensch auf der Welt, der diese Formen programmieren konnte, indem ich von meinem eigenen Geist aus arbeitete, dem die Bahnen ins Unbewußte durch eine groteske illegale Operation geöffnet worden waren. Ich war der Lichte Träumer.
    »Er wollte Stärke, damit die anderen Männer ihn respektierten.«
    Niemand auf Huevos Verdes konnte das: den Geist und die Seele von achtzig Prozent der Menschheit gefangennehmen und sie führen – und sei es auch nur tiefer in sie selbst hinein. Sie formen. Nein – ihnen ihre eigenen Formen schenken.
    »Weißt du eigentlich, was genau du in den Köpfen der anderen Menschen vollbringst?« hatte Miri mich einmal in ihrer etwas zu langsamen Sprechweise gefragt, kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten. Ich war – schon damals – gefaßt auf Gleichungen, Lawsons Konversionsformeln und einen Wust von Diagrammen. Aber sie hatte mich überrascht. »Du versetzt die Menschen in die andere Welt.«
    »Die…?«
    »Andere Welt. In die Realität unter der Realität. Du perforierst die Welt der Relativitäten, so daß unser Geist flüchtig zu sehen bekommt, daß unter den fragilen Strukturen des täglichen Lebens das wahrere Absolute liegt. Es ist natürlich nur ein kurzer Einblick. Das ist alles, was uns selbst die Wissenschaft geben kann – einen kurzen Einblick. Aber du vermittelst das jenen Menschen, die selbst nie Wissenschaftler sein könnten.«
    Von sonderbarer Angst erfüllt hatte ich sie angestarrt. Das war nicht die Miri, die ich kannte. Sie strich sich das widerspenstige Haar aus dem Gesicht, und ich sah, daß ihre dunklen Augen sanft und weit weg waren. »Das bewirkst du tatsächlich, Drew. Bei uns SuperS genau wie bei den Nutzern. Du hältst den Schleier zur Seite, damit wir einen kurzen Blick auf das werfen können, was wir sonst noch sind.«
    Meine Angst verstärkte sich. So war Miri einfach nicht!
    »Natürlich«, fügte sie hinzu, »entzieht sich das Lichte Träumen im Gegensatz zur Wissenschaft jeglicher Kontrolle. Selbst du kannst es nicht lenken. Damit fehlt ihm die Kardinaltugend der Wiederholbarkeit.«
    Miri sah mir ins Gesicht und merkte, daß ihre letzten Worte ein Fehler gewesen waren. Sie hatte das, was ich tat, als zweitklassig eingestuft. Wiederum. Aber ihre unbeugsame Wahrheitsliebe ließ nicht zu, daß sie zurücknahm, wovon sie zutiefst überzeugt war. Dem Lichten Träumen fehlte die Kardinaltugend. Sie wandte den Blick ab.
    Wir hatten nie wieder über die andere Welt gesprochen.
    Und jetzt wandten sich mir alle diese Nutzer-Gesichter da unten zu und öffneten sich. Alte Männer mit tief gefurchter Haut und krummem Rücken. Junge Männer mit zusammengepreßtem Kiefer, der sich selbst dann nicht lockerte, wenn sie die Augen aufrissen und wieder zu den Kindern wurden, die sie vor kurzem noch gewesen waren. Frauen mit Babies in den Armen, denen die Müdigkeit aus dem Gesicht wich, wenn ihre Lippen weich wurden und sie anfingen zu träumen. Häßliche Gesichter und natürliche Schönheit, wütende Mienen und bekümmerte, und der verblüffte Ausdruck von Leuten, die gedacht hatten, sie wären der oberste Boss, wenn es um ihr eigenes Leben ging, und die nun entdecken mußten, daß sie nicht einmal im Vorstand saßen.
    »Er wollte Frauen besitzen und schmelzen vor Befriedigung. Er wollte Liebe.«
    Miri war vermutlich bereits in der unterirdischen Anlage in East Oleanta eingetroffen, und ich war zu feige, mir selbst einzugestehen, daß ich froh war darüber. Nun, ich gestehe es mir jetzt ein. Dort war es sicherer für sie als auf Huevos Verdes, und ich mußte nicht mit ihr zusammentreffen. Eden. Die sorgfältig programmierten unterschwelligen Einschübe auf den Holoterminals der Cafeterias im ganzen Gebiet der Adirondack Mountains im Staat New York nannten es ›Eden‹. Nicht, daß die Nutzer gewußt hätten, was es mit diesem neuen Eden auf sich hatte. Ich wußte es auch nicht, nicht wirklich. Ich wußte, was das Projekt bewirken sollte – aber nicht, was es letzten Endes damit auf sich hatte. Ich war zu feige gewesen, um Fragen zu stellen. Oder zu feige, um mir einzugestehen, daß selbst die Zuversicht von SuperSchlaflosen nicht automatisch bedeuten mußte, daß alles richtig war, was sie taten.
    Bleiches, tödliches Gras wogte in meinem Innern.
    »Aaaaaaahhh«, seufzte ein Mann irgendwo ganz in der Nähe, denn ich konnte ihn über die leise Musik hinweg hören.
    »Er wollte Aufregung.«
    Ein Mann in der

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