Bettler 03 - Bettlers Ritt
würde es auseinanderbrechen. Ohrenbetäubendes Dröhnen folgte. Das Flugzeug stabilisierte sich und setzte seinen Weg fort.
Die blendende Lichterscheinung hatte hinter ihnen stattgefunden; aber die Sonne stand im Südosten, vor ihnen… Wie konnte ein so helles Licht an einer Stelle aufleuchten, wo keine Sonne war? Theresa drehte sich um und sah aus dem Rückfenster; eine pilzförmige Wolke hob sich über den Horizont.
»Wir haben zweikommavierzig Gray abgekriegt«, japste Pilotin Olivetti und starrte ihre Bildschirme an. »Miss Aranow, machen Sie sich darauf gefaßt, daß Ihnen ziemlich übel werden wird.«
»Aber… was ist denn passiert?«
»Sie haben La Solana eliminiert. Mit einer Atomwaffe. Ein paar Minuten früher, und wir wären jetzt tot.«
»Aber… warum?«
»Wie soll ich das wissen? Meine Güte, wenn jetzt Selene Vergeltungsmaßnahmen ergreift…« Sie schaltete die Nachrichten ein.
Theresa legte den Kopf in die Hände. Selene konnte keine Vergeltungsmaßnahmen ergreifen. Niemand war dort oben! Miranda Sharifi und alle ihre SuperSchlaflosen waren in La Solana gewesen – nun sind wir alle hier und versuchen verzweifelt, einen Weg zu finden –, und jetzt waren sie tot. Sie würden nie mehr sterbenden Kindern Umstellungs -Spritzen geben oder einen Ausweg für die Abhängigkeit der Menschen von den Spritzen finden oder das neutralisieren, was Jomp und die anderen Dreiergruppen ängstlich und noch abhängiger machte. Jemand hatte La Solana bombardiert, um Richard Sharifi zu töten oder um Mirandas altes Zuhause zu zerstören oder um die öffentliche Aufmerksamkeit auf irgendein eigenes Anliegen zu lenken. Die SuperSchlaflosen waren alle tot.
Und Theresa war der einzige Mensch auf der Welt, der das wußte.
INTERMEZZO
SENDEDATUM: 4. April 2121
GEHT AN: Mondbasis Selene
VIA: Bodenstation Enklave Lubbock, Satellit S-65 (Israel)
NACHRICHT – ABT: nicht verschlüsselt
NACHRICHT – KLASSE: Klasse D, allgemein zugänglich laut Kongreßverordnung 4892-18 vom Mai 2118
AUSGEHEND VON: ›Carter-Stamm‹, Texas
NACHRICHT LAUTET:
An Miranda Sharifi:
250 Jahre lang hatte die Carter-Familie, wir nämlich, Vieh in West Texas gezüchtet. Wir halten zusammen, obwohl jetz’ nichts mehr is’ mit Viehzüchten. Aber wir bleiben trotzdem zusammen. Bin Molly Carter, ich. Habe sechs Kinder, siebzehn Enkel und zwanzig Urenkel. Nich’ gezählt die, wo grade auf’m Weg sind. Aber wir haben keine Umstellungs -Nadeln nich’ für die neuen Kleinen. Schicken uns doch bitte schön noch ‘nen Schwung.
Mein Sohn Ray jr. der bringt diese Patrone zu ‘ner Sendeanlage in Lubbock, damit die sie zu Ihnen in den Weltraum hochschicken.
BESTÄTIGUNG: keine
15
Nichts, dachte Jackson, ist je so, wie man es erwartet.
Als er mit Shockey, Lizzie, Dirk und Vicki zu Kelvin-Castner-Pharmazeutik geflogen war, hatte er eine schwere Nervenprobe erwartet. Er hatte Panik über Panik von den Nutzern erwartet, weil sie sich nun in einer Umgebung befanden, die schon vor dem Einatmen des unbekannten Neuropharms, das sie so ängstlich allem Neuen gegenüber machte, fremd und beunruhigend auf sie gewirkt hätte. Er hatte sich körperliche Ringkämpfe mit Shockey ausgemalt, um Gewebeproben von ihm nehmen zu können, und hysterischen Protest von Lizzie, wenn die Reihe an Dirk kam; dabei hatte er auf Vickis Hilfe bei diesen Kämpfen gezählt. Und dann, so hatte er erwartet, würden er und Thurmond Rogers ein langes, intensives Gespräch über die Implikationen einer Substanz führen, gegen die der Zellreiniger machtlos war. Die Gewebeanalyse würde von höchster Dringlichkeit für Rogers sein, also sollte das Ergebnis rasch vorliegen.
Nichts davon war eingetroffen.
Statt dessen war sein Luftwagen auf dem Dach von Kelvin-Castner in der Enklave Boston-Hafen von zwei erstklassigen SicherheitsRobs in Empfang genommen worden. Die Robs hatten ohne viel Federlesens alle außer Jackson gepackt und ihnen Atemmasken vorgehalten, die sie augenblicklich außer Gefecht setzten. Sogar Vicki. Die Robs hatten sodann die vier Ohnmächtigen auf Gleiter geladen und sie, ohne auf Jacksons Proteste zu achten, mit dem Lift in ein Labor geschafft. Dort hatten weitere Robs Shockey, Lizzie und das Baby entkleidet und Proben genommen: Speichel, Zerebrospinalflüssigkeit, Blut, Harn, Fäces und Zellen sämtlicher Organe. Die Proben wurden mit Hilfe nanotechnisch hergestellter, nur wenige Atome dicker Nadeln gezogen, die den neuesten
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